So berauschend wie die Liebe
Beifahrertür auf.
Zögernd stieg Lucy ein, schnallte sich aber sofort an, weil ihr dieser PS-starke Bolide gehörigen Respekt einflößte. Lorenzo nahm hinter dem Steuer Platz und startete den Motor.
Den Blick konzentriert auf die Straße gerichtet, fuhr Lorenzo wortlos, als wäre der Teufel hinter ihm her. Die Landschaft draußen flog nur so an ihnen vorbei, und Lucy schloss immer wieder die Augen, weil ihr schwindlig zu werden drohte. Als Lorenzo den Wagen halsbrecherisch um eine besonders enge Kurve lenkte, hielt sie das Schweigen schließlich nicht länger aus. „Musst du so schnell fahren?“, fragte sie angespannt.
Er warf ihr einen Seitenblick zu, antwortete aber nicht. Doch von da an nahm er das Tempo tatsächlich etwas zurück.
Einige Zeit später stockte Lucy beim malerischen Anblick des Gardasees der Atem, und als Lorenzo den Wagen auf die Uferstraße lenkte, die rund um den See führte, konnte Lucy sich gar nicht sattsehen an den idyllischen kleinen Ortschaften, die das Ufer säumten. Schließlich bogen sie in eine Auffahrt ein. Zwischen zwei dicken gemauerten Pfosten öffnete sich über einen Sensor ein schmiedeeisernes Tor, hinter dem sich eine Zufahrt durch einen Wald steil hinaufschlängelte. Als der unvermittelt endete, tat sich vor ihnen eine Aussicht auf, die Lucy buchstäblich die Sprache verschlug.
Vor dem dunklen Hintergrund der Bäume erhob sich wie ein Märchenschloss ein perfekt proportioniertes helles Sandsteingebäude, dessen vier Ecken von runden Türmen geziert wurden. Der parkähnliche terrassierte Garten erstreckte sich bis hinunter an den See, wo sich zwischen den Bäumen ein hölzernes Bootshaus samt Steg erahnen ließ, an dem ein Segelboot festgemacht war. Lucys Künstlerauge konnte sich von dieser eindrucksvoll komponierten Idylle gar nicht losreißen. Zweifellos hatte jemand den Garten sorgfältig geplant … Pergolen, Pavillons und Springbrunnen waren wohlüberlegt genau so platziert, dass sie den Blick auf bestimmte Farbgebungen oder symmetrische Gestaltungen lenkten.
„Lucy?“
Es war das erste Wort, das Lorenzo sprach, seit sie vor über einer Stunde Verona verlassen hatten. Erst jetzt wurde Lucy bewusst, dass er den Wagen angehalten hatte. Bewundernd betrachtete sie die Eingangskolonnade des Hauses, eine elegante Konstruktion aus anmutigen Bögen und einem Dach, das von vier schlanken Säulen getragen wurde.
„Bevor wir hineingehen, möchte ich dich noch warnen.“
Sie wandte sich ihm zu. „Dass ich nicht das Familiensilber stehle?“, fragte sie ironisch.
Er zog spöttisch eine Braue hoch. „Genau ein Paradebeispiel für das, was ich befürchte. Du bist zu impulsiv, Lucy, und sagst einfach, was dir in den Sinn kommt.“
Nicht alles, dachte Lucy. Wenn sie in Lorenzos Armen die höchste Lust erlebte, widerstand sie doch jedes Mal der Versuchung, ihm zu sagen, dass sie ihn liebte.
„Du wirst meiner Mutter freundlich und höflich begegnen … keine überschwänglichen Umarmungen oder Vertraulichkeiten. Das Porträt habe ich im Kofferraum. Du wirst es ihr als Geschenk überreichen, worüber sie entzückt sein wird. Und was dich und mich betrifft … für meine Mutter und die Bediensteten sind wir enge Freunde, werden aber natürlich nicht im selben Zimmer schlafen. Es genügt, dass ich dich in mein Elternhaus mitgebracht habe, was ich normalerweise mit keiner Frau mache. So wird es ausreichen, wenn ich gelegentlich den Arm um dich lege, damit meine Mutter … auch dank Teresa Lanza … überzeugt ist, dass wir ein Paar sind. Wenn ich ihr dann später sage, dass wir Schluss gemacht haben, hast du einen Grund, jeden weiteren Kontakt zu vermeiden. Was sie taktvoll akzeptieren wird. Verstanden?“
„Voll und ganz. Machiavelli hätte keinen besseren Plan ersinnen können.“ Sie bemühte sich zu lächeln. „Du meinst, wir sollen ein Liebespaar spielen, aber kein Wort von Gelegenheitssex? Ich denke, ich hab’s kapiert.“
„Lucy, lass einfach diese frivolen Bemerkungen. Ich meine, es ist doch ganz simpel: Du musst dich nur für ein paar Tage etwas zügeln und zurückhalten.“
„Ja, ich verstehe.“
Und sie verstand wirklich … nur zu gut. Seine unbewegte Miene, sein unpersönlicher Blick verrieten deutlich, dass er sich nach diesem Besuch bei seiner Mutter aus ihrem, Lucys, Leben verabschieden würde. Sie wandte das Gesicht ab. War es nicht das, was sie auch wollte … frei von ihm zu sein?
Ehe sie die Wagentür öffnen konnte, kam ihr ein Mann zuvor, den
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