So berauschend wie die Liebe
Lorenzo ihr als Gianni, den Butler, vorstellte. Wenn Lucy davon schon beeindruckt war, stockte ihr beim Anblick der imposanten hohen Eingangshalle erst recht einmal mehr der Atem. Eine prächtige Marmortreppe in ihrem Zentrum teilte sich auf halber Höhe, um in einer kreisförmigen Galerie zu enden. Nach erstem Staunen konzentrierte Lucy ihre Aufmerksamkeit aber auf die Dame, die in diesem Moment anmutig die Stufen herunterschritt.
Lorenzos Mutter war ganz anders, als sie erwartet hatte. Als Lorenzo sie einander vorstellte, wurde Lucy, ehe sie sich’s versah, von der eleganten Frau in den Arm genommen und herzlich auf beide Wangen geküsst. Wie es schien, hätte Lorenzo wohl eher seine Mutter warnen sollen, sich etwas zurückzuhalten! Wenn Lorenzo bei Lucy den Eindruck erweckt hatte, seine Mutter wäre eine kränkliche kleine Frau, so stellte Lucy nun fest, dass Anna, wie sie von ihr angesprochen werden wollte, im Gegenteil eine stattliche Dame von fast einem Meter siebzig war, mit dichten weißen Locken und blitzenden braunen Augen. Sie wirkte stärker, als Lucy sich in diesem Moment fühlte.
Fünfzehn Minuten später saß Lucy mit einem Glas Champagner in der Hand auf einem mit Satin gepolsterten Sofa in dem hübschesten Salon, den sie je gesehen hatte, und hörte zu, wie Anna ihr wohl zum hundertsten Mal überschwänglich für das Porträt von Antonio dankte, das der Butler aus dem Auto geholt und hereingebracht hatte.
Lucy fühlte sich überwältigt. Sie hatte immer gewusst, dass Lorenzo ein reicher Mann war, aber dieses Haus war wie ein kleiner Palast … und auch mit den entsprechenden Bediensteten ausgestattet. Nachdem der Butler den Champagner ausgeschenkt hatte, brachte ein Hausmädchen auf einem Silbertablett eine Auswahl winziger Törtchen. Lorenzo, der sich ganz zu Hause fühlte und es sich auf den rosa Satinpolstern eines anderen kunstvoll geschnitzten, antiken Sofas bequem gemacht hatte, lächelte Lucy flüchtig zu, doch sein Blick blieb kühl.
Seine Mutter aber war völlig außer sich vor Freude über das unerwartete Geschenk. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Lucy“, wiederholte sie strahlend. Das Porträt hatte sie auf dem marmornen Sims des prächtigen offenen Kamins platziert, wo es zur Hälfte das Gemälde eines ernst dreinblickenden Mannes verdeckte, der wie eine ältere Version von Lorenzo aussah. „Sie haben meinen Antonio so unnachahmlich treffend eingefangen. Aber Sie haben ihn ja auch persönlich gekannt und besitzen sicher noch viele Fotos von ihm. Wann haben Sie das Porträt gemalt?“
„Nun, tatsächlich in meinem zweiten Jahr im College. Antonio und Damien waren gerade von ihrer Weltreise zurück und zogen in das Haus in London, das ich mir mit zwei anderen Studenten teilte, während sie ihre große Bergbesteigung planten. Für meine Jahresabschlussarbeit brauchte ich damals ein Modell für ein Porträt, und Antonio war so nett, sich zur Verfügung zu stellen. Liebe Güte, er saß nur still, wenn ich ihn ausreichend mit Geleekonfekt bestach, wonach er ganz verrückt war. Es war für uns beide ein großer Spaß …“ Lucy lächelte bei der Erinnerung. „Allerdings würde ich es heute bestimmt besser malen, weil ich inzwischen viel mehr Erfahrung und Übung habe.“
„Aber nein!“, wehrte Anna Zanelli ab. „Es ist wunderschön. Und dass Antonio sogar persönlich dafür Modell gesessen hat! Aber wie hätten Sie ihn auch sonst so entspannt und zufrieden festhalten können als im Kreise seiner Freunde? Aus seinem Blick, seinem Lächeln spricht deutlich, wie glücklich er ist, was Ihr Geschenk für mich noch einmal so wertvoll macht.“
„Es freut mich, dass es Ihnen gefällt“, sagte Lucy schlicht, als sie die Tränen in den Augen von Lorenzos Mutter schimmern sah.
„Ich liebe es! Trinken wir auf meinen Antonio.“ Sie hob das Glas.
Lucy stieß mit ihr an, trank aber nur einen winzigen Schluck. Sie fühlte sich etwas unwohl, denn sie hatte seit dem Abflug in London am Morgen nichts mehr gegessen und nun den Fehler gemacht, einen der winzigen, schrecklich süßen Kuchen zu probieren. Tatsächlich sehnte sie sich nach einem Tee und etwas Herzhaftem.
„Magst du keinen Champagner, Lucy?“, erkundigte sich Lorenzo höflich.
Sie erwiderte seinen Blick, der kühl und ohne eine Spur von Zärtlichkeit war. Plötzlich hatte sie das Gefühl, diesen Raum auf der Stelle verlassen zu müssen, bevor sie laut losschreien würde. Was Lorenzo ganz sicher nicht als akzeptables
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