So berauschend wie die Liebe
sah Lucy durchdringend an. „Es lässt sich sicher so arrangieren, dass die Aushilfe am Mittwochnachmittag in die Galerie kommt, sodass Elaine sie einweisen kann.“ Er zog herausfordernd die Brauen hoch. „Also, Lucy, für einen Tag oder für zwei?“
„Ein Tag wird genügen“, gab sie ihm die Antwort, die er erwartete. Was hatte es für einen Sinn, sich mit ihm anzulegen? Sie wollte ja sowieso nicht länger bleiben. „Bis Donnerstagabend muss ich dann wirklich zu Hause sein.“
„Gut, dann wäre das geklärt“, verkündete Anna Zanelli zufrieden.
Inzwischen hatten sie als ersten Gang einen köstlichen Pilzrisotto gegessen, und als der Butler Wein nachschenkte, gönnte Lucy sich ausnahmsweise auch ein zweites Glas.
Anna Zanelli verstand es wirklich, unterhaltsam zu erzählen. Am meisten aber redete sie über Antonio, während Lorenzo mit unergründlicher Miene dabeisaß und kaum etwas zu dem Gespräch beisteuerte.
„Unser Arzt bezeichnete Antonio immer als ‚Wunder‘, denn als Säugling war er sehr krank, sodass sein Leben eine ganze Weile am seidenen Faden hing. Aber schließlich schaffte er es doch und wurde ein ganz normales lebhaftes Kind. Manchmal habe ich mich gefragt, ob vielleicht mein Alter bei seiner Geburt für seine gesundheitlichen Probleme verantwortlich war … denn immerhin kam er zehn Jahre nach Lorenzo auf die Welt. Aber er wuchs doch zu einem wundervollen jungen Mann heran. Ich wünschte nur, er wäre mir länger geblieben …“
Lucy überlegte unwillkürlich, dass es auch für Lorenzo nicht leicht gewesen sein musste, wenn sich alle Fürsorge der Mutter auf den kränklichen jüngeren Bruder konzentriert hatte. Vielleicht erklärte das, warum Lorenzo so verschlossen und unzugänglich war.
Nachdem der Hauptgang, Kalbsschnitzel an Marsala-Sauce, serviert worden war, versuchte Lucy jedenfalls, das Tischgespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Sie haben ein wunderschönes Haus, Anna. Ich bin ganz begeistert von meinem Schlafzimmer und der malerischen Aussicht. Der Garten ist wirklich eine Augenweide, aus welchem Blickwinkel man ihn auch betrachtet. Hier muss irgendwann einmal ein begnadeter Landschaftsgärtner am Werk gewesen sein.“
„Die Gärtnerei ist meine Leidenschaft“, gestand Anna Zanelli entzückt. „Als Lorenzo eingeschult wurde, gab mein Mann mir freie Hand, die Gartenanlage völlig neu zu gestalten. Es war ein gewaltiges Projekt, und ich habe drei Jahre gebraucht, die perfekte Zusammenstellung an Blumen, Sträuchern, Bäumen, Springbrunnen und anderen Gestaltungselemente zu finden. Lorenzo hat mich gelegentlich auf meiner Suche begleitet und seine Ideen eingebracht. Man kann es kaum glauben, so ernst, wie er meist wirkt …“, sie sah ihren Sohn liebevoll an, „… aber er hat stets die kräftigsten Farben ausgewählt.“
Lucy konnte es sich sehr gut vorstellen, nachdem sie Lorenzos Wohnung gesehen hatte. Aber sie bemerkte, dass er sich unbehaglich auf seinem Stuhl regte, weil ihm die Unterhaltung ganz offensichtlich zu persönlich wurde.
Seine Mutter schien das nicht zu kümmern. „Lorenzo war schon als Kind ein mathematisches Genie“, fuhr sie unbeirrt fort. „Obwohl er erst neun Jahre alt war, hatte er keine Mühe, all die Längen, Breiten und Winkel zu berechnen, die für eine ausgewogene Anlage der Terrassen, Wege und Springbrunnen nötig waren. Er hat mir einen vollständigen Plan gezeichnet, sodass die Bauarbeiter und Gärtner ihn nur noch ausführen mussten.“
„Wirklich erstaunlich!“, meinte Lucy aufrichtig bewundernd.
„Eher nicht“, mischte sich Lorenzo nun doch ein und fügte nachsichtig lächelnd hinzu: „Meine Mutter neigt zu Übertreibungen.“
Während des Desserts sprachen sie über die geplante Party, und als der Butler dann fragte, wo er den Kaffee servieren solle, stand Anna Zanelli auf. „Ich trinke abends nie Kaffee, aber lasst euch davon nicht abhalten. Sicher seid ihr froh, etwas Zeit für euch zu haben.“ Sie zwinkerte Lucy und Lorenzo zu. „Für mich war es der schönste Tag seit Langem, und ich werde jetzt zu Bett gehen.“
Sie hielt Lorenzo, der aufgestanden und an ihre Seite getreten war, eine Wange zum Kuss hin und ließ ihn und Lucy dann allein.
Eine Weile herrschte lastendes Schweigen.
„Das ist ja ganz gut gelaufen“, sagte Lorenzo schließlich. „Meine Mutter ist glücklich und überzeugt, dass wir ein Paar sind. Sorg dafür, dass es so bleibt, bis wir am Donnerstag abreisen, dann bekommst du alles,
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