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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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fasziniert.
    Mit einem perfekten amerikanischen Akzent stellt Michèle Vian mich ihm vor. Er schaut mich an, ich schaue ihn an. Wir gehen alle zusammen in ein griechisches Lokal essen. Mit dabei einige Bekannte von ihm, auch Jazzmusiker.
    Am Morgen nach dem Konzert spazieren wir am Ufer der Seine entlang, Hand in Hand. Ich spreche kein Englisch, was schlecht ist, und er spricht kein Französisch, was vollkommen egal ist. Wir lieben uns.
    Einige Wochen später fährt er zurück in die Vereinigten Staaten. Sartre, der ihn gefragt hat, warum er mich nicht heiratet – er hat sich sehr für unsere Liebesgeschichte interessiert –, hat er geantwortet, dass er mich nicht unglücklich machen will. Er glaubte, dass unsere Beziehung keine Zukunft habe. Die unterschiedliche Hautfarbe stehe unserem Glück entgegen.
    Dabei habe ich, als ich ihn zum ersten Mal sah, nicht einmal bemerkt, dass er schwarz ist. Ich weiß, dass niemand mir das glauben will. Aber so war es.
    Eine Lektion über seinen Alltag in den USA bekomme ich einige Zeit später in New York. Ich singe im Waldorf Astoria und lade Miles und seine Musiker zum Essen in meine Suite ein. Zwei Kinder sind auch dabei. Ich rufe nach dem Oberkellner, der mich jeden Abend höflich und aufmerksam bedient hat. Als er den Raum betritt, verkrampft er sich. Er sieht sich meine Gäste an, und sein Verhalten verändert sich vollkommen. Seine Miene wird eisig. Er nimmt meine Bestellung entgegen und zieht sich zurück.
    Eine Stunde vergeht, aber unsere vergnügten Gespräche vermögen weder unsere leeren Mägen noch die der Kinder zu füllen. Ich rufe den Etagenservice an. Wieder eine halbe Stunde später stößt ein junger Kellner unter lautem Geschirrgeklapper mit dem Servierwagen die Tür auf. Miles und seine Freunde schweigen beklommen. Ich verstehe nicht, was hier los ist. Die Kinder stopfen die Hamburger lustlos in sich hinein. Den Musikern ist der Appetit vergangen, sie sorgen für ein schnelles Ende des Abends.
    In der Nacht ruft Miles mich an: »Wenn du nicht als Negerhure beschimpft werden willst und dir deine Karriere in Amerika etwas wert ist, darfst du dich nicht mit uns zeigen. Wenn du uns sehen willst, dann musst du zu uns nach Hause kommen. Hier ist es nicht wie in Paris, du bist in New York.«
    Ich war wütend, traurig und sehr aufgebracht. Ich schämte mich maßlos. War meine Einladung doch der Anlass für die Demütigung meiner Freunde.
    Miles werde ich in regelmäßigen Abständen wiedersehen. In den Städten, in denen ich auftrete, hinterlässt er Nachrichten für mich.
    In der Stockholmer Oper schreibt er diese schönen Zeilen: Ich bin nicht mehr da. Aber ich war es. Ich küsse dich. Ich liebe dich. Miles.
    Und das das ganze Leben lang, in jedem Winkel der Erde. Man sagt, dass die Liebe blind macht. Falsch! Sie verschwindet nur manchmal aus den Augen. Dann muss man sie schließen, und schon steht sie wieder vor einem. Gegenwärtig und lebendig.
    Ich hasse Sonntage
    Ich weiß, dass ich viel Glück hatte.
    Schon zu Beginn meiner Karriere lernte ich große Autoren und Poeten kennen wie Jacques Prévert, Léo Ferré, Jacques Brel, Georges Brassens, Jean Ferrat, Guy Béart, Charles Aznavour, später dann Serge Gainsbourg, und natürlich den großartigen Charles Trenet, ohne den das französische Chanson des 20. Jahrhunderts nicht das wäre, was es heute ist.
    Die Nachkriegszeit war eine Zeit der Erleichterung, aber auch eine des Schreckens. Denn die Menschen erfuhren von den Gräueln der Shoah und setzten nun alles auf einen Kampf gegen das Böse; ein Kampf, den sie, wie man weiß, nie gewinnen können. Poesie und Kreativität blühen auf, man sieht wieder Licht. Die Autoren versorgen die Interpreten mit Liedtexten; es ist noch nicht die Zeit, in der man Dichten, Komponieren und Singen in Personalunion betreibt.
    Charles Aznavour singt und arbeitet an der Seite von Édith Piaf. Er schreibt Liedtexte für sie. Als er ihr das Chanson »Je hais les dimanches«, Ich hasse Sonntage, vorschlägt, lehnt sie ab. Dann schlägt er es mir vor. Für mich besitzt dieses Lied eine große Kraft und Wahrhaftigkeit. Außerdem passt es zu mir, die Musik von Florence Véran ist großartig, ich singe es gern.
    Zurzeit singe ich es nicht mehr, obwohl man mich oft darum bittet. Das passiert mit vielen Liedern, die ich im Lauf der Jahre gesungen habe. Einige bleiben mir für alle Zeiten erhalten. Aber man will sich auch weiterentwickeln und Entdeckungen machen.
    Nur ein paar Wochen nachdem

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