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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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Akkordeonspieler Freddy Balta und Marcel Azzola, mein treuer Weggefährte Henri Patterson und der wunderbare Gérard Jouannest, der mich seit über vierzig Jahren begleitet. Pierre Nicolas, der Bassist, ist zu Anfang meiner Karriere sogar Georges Brassens »untreu« geworden. Es sind so viele. Mit ihnen allen bin ich um die Welt gereist.
    2007 beschloss ich, ohne Orchester aufzutreten. Seitdem werde ich nur noch von einem Piano und einem Akkordeon begleitet. Glücklicherweise konnte ich Jean-Louis Martinier gewinnen. Er ist ein exzellenter Akkordeonspieler, er spielt viel Klassik und Jazz und bildet mit Gérard Jouannest am Piano ein ziemlich ungewöhnliches Duo.
    Ich genieße die Minuten vor der Abreise; ich liebe es, ein Flugzeug zu besteigen. Mein Koffer steht immer bereit. Ich habe kein richtiges Zuhause. Mein Zuhause, das sind die Theater und die Konzertsäle, in welchem Winkel der Erde sie sich auch immer befinden. Mein Wohnzimmer ist die Bühne.
    Ich bin zwar Französin, auf den Bühnen von Paris habe ich begonnen und hierher kehre ich immer wieder zurück. Aber meine Reiselust, mein Drang, neue Menschen kennenzulernen, treiben mich immer wieder in die Welt hinaus.
    Ich liebe die Bewegung, die Leichtigkeit des Seins.
    Meine Rituale
    Die Vorbereitungen für mein Rendezvous – ja, ein Konzert ist ein Rendezvous für mich – beginnen nicht erst im Theater, sondern schon einige Tage vorher.
    Bevor ich den Koffer packe, versuche ich, mein Interesse auf Belanglosigkeiten zu lenken. Wie wär’s mit neuen Pinselchen, neuen falschen Wimpern und einer neuen Schminkgrundierung? Ich wähle Cremes aus, fülle sie in leicht transportierbare Töpfchen um und stelle mit großer Sorgfalt den Inhalt meines Schminktäschchens zusammen. Kurz, ich versuche, mich abzulenken.
    Dieses Ritual besänftigt ein wenig meine Ängste. Es ist ein Spiel, das ich spiele. In gewisser Weise nähere ich mich der Bühne auf Umwegen.
    Mit der Zeit tritt meine Verabredung mit dem Publikum immer mehr in den Vordergrund.
    Am Tag des Konzerts – noch so ein Ritual – rolle ich mein schwarzes Kleid zusammen und lasse es in seinen Kleidersack gleiten. Ein paar Stunden bevor ich auf die Bühne gehe, befreie ich es in meiner Garderobe wieder aus seiner Umhüllung. Mindestens drei Stunden vor Konzertbeginn will ich im Theater sein. Ich möchte den Ort kennenlernen, auf der Bühne auf und ab gehen – vielleicht wird sie so meine. Dann kümmere ich mich um die Technik, den Ton, das Licht. Gibt es Rückkopplungen? Ich möchte, dass der Tonmeister zufrieden ist. Ich singe ein paar Strophen; einige laut, andere ganz leise.
    Vor einem Konzert probe ich so wenig wie möglich. Einige behaupten zu wenig. Aber eigentlich bin ich immer beim Proben, von morgens bis abends. Ich setze mich irgendwo gedankenverloren hin und singe, wie ich atme, ohne den Mund dabei zu öffnen.
    So habe ich es immer gehalten. Und so wird es bleiben.
    Ein anderes Ritual, das ich immer streng einhalte: Ich packe alle meine Döschen aus und platziere sie in einer streng festgelegten Ordnung auf einem sehr großen Taschentuch, das ich vor langer Zeit in Japan gekauft habe. Japanische Motive beruhigen.
    Und dann sind da meine Teddybären. Diese Truppe begleitet mich überallhin. Leider kann ich sie nicht alle mitnehmen, die ganze Blase würde zu einem erheblichen Transportproblem führen.
    Nach dem Krieg gab ich in Deutschland, in Dresden, ein Konzert. Die Stadt glich noch immer einem Trümmerhaufen. Nur die Bibliothek war unversehrt geblieben, dort trat ich auf. Nach dem Konzert wartete ein Mädchen vor meiner Garderobe. Es streckte mir einen winzigen Teddybären entgegen und sagte: »Nehmen Sie ihn. Ich habe nichts anderes. Er ist ein Geschenk.«
    Ich war vollkommen überwältigt. Tränen traten mir in die Augen, ich stammelte ein unbeholfenes Dankeschön. Die Kleine hatte mir das geschenkt, was ihr am meisten am Herzen lag.
    Seitdem reist dieser kleine Bär von Gala zu Gala durch die Welt. Wir führen manchmal sehr vertrauliche Gespräche. Nur sein Kollege, den meine Tochter angefertigt hat, und ein anderer Winzling aus New York sind zu diesen geheimen Beratungen noch zugelassen. Die drei wissen mehr, als alle anderen je wissen werden.
    Die Zeit der Vorbereitung ist kostbar. Die Garderobe ist ein Ort der Konzentration, er dient der Sammlung meiner Kräfte. Ich schminke mich, schlüpfe in mein schwarzes Kleid und gelange so nach und nach in ein beschützendes Puppenstadium, erst auf der

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