So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
sich öffnet, Wellen der Sympathie und Herzlichkeit entgegen. Was für ein Ansporn.
Dennoch ist das eine sehr seltsame Erfahrung. Wie wenn eine Meereswelle auf dich zurollt und dich unter sich begräbt. Ich werde vollkommen hilflos. Wie kann ich es bei so viel Zuneigung überhaupt schaffen, meinen Mund zu öffnen? Aber da muss ich durch.
Ich fange also an, gebe alles, doch Tränen stehen mir in den Augen und schnüren mir die Kehle zu. Manchmal muss man das erste Lied opfern, manchmal gelingt die Interpretation aber auch. Man weiß es nie genau. Ich weiß jetzt nur, dass ich das erste Lied hinter mir habe. Ob gut oder schlecht, ich gab mein Bestes.
Zufrieden bin ich nie. Ich weiß nämlich nicht, was das bedeutet, mit sich zufrieden sein.
Oft glaube ich, schlecht gewesen zu sein, dabei habe ich das Publikum glücklich gemacht.
»Sie haben mich zum Weinen gebracht.« Ich bin jedes Mal gerührt, wenn mir das jemand sagt.
Jedes Konzert ist anders, jeder Auftritt ist eine neue Erfahrung für mich. Ich bin nicht jeden Tag die Gleiche, auch bereite ich meine Konzerte nicht haargenau vor. Ich lasse dem Spiel der Kräfte freien Lauf, ich will meine Gefühle nicht unter Kontrolle bringen. Ich mache keine perfekt vorbereitete Show, wie sie Yves Montand oder Maurice Chevalier zu zelebrieren wussten.
Auch auf der Bühne lebe ich in den Tag hinein. Für mich ist das keine Arbeit, die sich wiederholen darf.
Wie im Leben. Da gibt es auch keinen Tag und keine Nacht, die der anderen vollkommen gleicht. Wenn es nicht die Risse und Brüche im Leben gäbe, wäre es dann noch interessant?
Ich weiß genau, dass ich mich da auf gefährlichem Boden bewege. Und eigentlich sorgen die Ereignisse, die manchmal die Bedeutung der Wörter verkehren, indem sie die Welt und mein Leben erschüttern, für genügend Unruhe.
Es gab Momente der Panik, Momente von großer Einsamkeit. Einen Textfehler korrigieren zu müssen oder einen Texthänger zu überspielen, das kann sehr schwierig werden. Die Vorstellung, dass ich plötzlich meinen Text nicht mehr weiß, jagt mir Angst ein.
Eines Abends im Olympia ist es mir passiert. Ich sang »J’arrive« von Jacques Brel. Abrupt musste ich aufhören, ich wusste nicht mehr weiter. Ich sagte: »Ich beginne noch mal von vorn.«
Meistens funktioniert das nicht. Denn der Texthänger schleicht sich meistens an derselben Stelle wieder ein. Ich spürte eine Ratlosigkeit im Orchester und eine Furcht im Saal, dass ich wieder an derselben Stelle scheitern würde. Aber diesmal schaffte ich es. Fast der ganze Saal erhob sich und applaudierte.
Und ich dachte zunächst, dass die meisten jetzt den Saal fluchtartig verlassen wollten.
Schlimm war, dass es mir in Paris passiert ist. In Paris, bei mir zu Hause, ist die Angst am größten. Größer noch als in der Philharmonie von Berlin oder anderen klassischen Musiksälen oder Opernhäusern, auch wenn diese mir einen beachtlichen Respekt einflößen.
Engagiert und … frei
Die Macht der Worte
Bis zum letzten Tag meines Lebens werde ich für das Recht der Menschen kämpfen, glücklich zu werden. Ich werde also kämpfen gegen den Terror, gegen die geistige Bevormundung, gegen die Gleichgültigkeit und für das einzige Gut, das zu bewahren es sich um jeden Preis lohnt: die Freiheit. Die Freiheit, so zu leben, wie es uns gefällt, die Freiheit, lachen zu dürfen, die Gedankenfreiheit, die Freiheit, uns zu verschenken und den und das zu lieben, dem wir von ganzem Herzen zugetan sind.
Meine Waffe ist die Stimme. Mit ihr verteidige ich die Freiheit. Ich glaube an das Gewicht der Worte, an ihre Macht.
Einen Text auszusuchen, ihn zu singen, ist ein Akt des Engagements. Ich stelle mich in den Dienst der Texte, ich singe und interpretiere sie, damit man sie besser versteht. Die Worte selbst tragen ihre Botschaft in sich, ich helfe ihnen, so gut ich kann, auf ihrem Weg hinaus ins Leben.
In Paris hörte ich eines Tages einen Arbeiter auf einem Gerüst »Si tu t’imagines« pfeifen. Mir traten Tränen in die Augen. Gibt es eine schönere Belohnung?
Die Poesie gehörte nicht mehr allein den Reichen und Gebildeten, sie hatte sich unters Volk gemischt. Ein bisschen war es mir gelungen, sie den Menschen näherzubringen.
Bissige, provozierende, sinnliche, anzügliche, erotische, selbst sexuelle Texte oder solche mit revolutionären Gedanken – nie habe ich mich gescheut, sie zu singen.
Jede Art von Zensur ist mir zuwider. Wenn ich solche Texte singe, fordere ich das Recht auf
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