So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
hat. Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, meine Stimme zu kontrollieren. Die Worte nähren mich, die Musik ist ihr wunderbares Transportmittel.
Anfangs mussten die Musiker den verknoteten Faden entwirren, den ich ihnen hinwarf. Jean Wiener nannte mich ein durchgegangenes Pferd. Die Worte rissen mich mit, ich hatte keine Kontrolle. Er lehrte mich, die Regeln zu befolgen. Ich habe einen Weg gefunden, wie Musik und Worte auf meine Weise zueinanderfinden können. Das passierte zunächst ungeschickt, aber effizient. Ich habe viel für mich allein gearbeitet. So wurde ich die, die ich bin. Eine Frau, die Lieder singt und immer nach Wegen sucht, ihre Arbeit noch besser und schöner zu machen.
Das Spiel des Körpers
Schon immer versuche ich, mich mithilfe meines Körpers auszudrücken, den Worten mithilfe des Leibes eine Form zu geben. Mit meinen Fingern, meinen Händen, meinen Armen begleite ich sie. Ideen in die Luft zu zeichnen, ist aber nicht einfach.
Eines Tages besuchte Marcel Marceau ein Konzert von mir. Wir waren uns in Argentinien zufällig wiederbegegnet. »Zeige mir deine Hände«, sagte er. »Und zeige mir, wie du es machst.« Ich habe es ihm gezeigt.
Als ich ein Kind war, habe ich mich darüber gewundert, wie eine Rosenknospe es schafft, einen so dünnen Stiel zu durchbrechen und danach zu erblühen. Ich glaube, das ist genau das, was ich mit meinen Händen versuche.
Als ich 1949 im legendären Cabaret Le B œ uf sur le Toit anfing, versteckte ich meine Hände verschämt hinter dem Rücken. Doch mit der Zeit gefiel es ihnen da nicht mehr, zuerst stießen sie mich, dann haben sie sich wie Flügel geschmeidig ausgebreitet.
Mit der Zeit gewannen sie an Selbstvertrauen. Ich erinnere mich an einen Abend im Bobino. Ich fühlte die Intensität der Worte so stark in meinem Körper, dass ich begann, mich zu bewegen. Ich zeichnete die Worte mit meinem Körper nach.
Das versuche ich noch immer. Die Worte mit meinem Körper fassbarer zu machen, lebendig.
Stille
Mit jedem Konzert stehe ich für meine Ideen ein.
Ich singe Texte, die ich für wichtig halte, und versuche, mich ihnen als ebenbürtig zu erweisen. Ganz einfach. Dabei ist keine Koketterie im Spiel, keine Eitelkeit.
Für mein Publikum tue ich alles, manchmal auch mit verheerenden Folgen. Doch nie habe ich etwas getan, um ihm zu gefallen – oder vielleicht alles, wer weiß? Das, was mir schön, rein und erhaben erschien, gab ich weiter. Und das hat mich glücklich gemacht.
Ich bin eine Sängerin und bin stolz darauf. Ich diene dem Text und der Melodie. Zunächst dringt der Text über das Ohr in meinen Körper ein. Seine Kraft stärkt mich, und ich biete ihm meine an.
Mit den Liedern, die ich im Lauf der Jahre für mich ausgesucht habe, habe ich mir meine Persönlichkeit zusammengebaut. Ich singe von dem, was ich will, was ich begehre, aber auch von dem, was ich hasse. Ich singe von meinem Lebenskampf. Meine Lieder, das bin ich.
Es gibt Augenblicke auf der Bühne, die besonders stark in meinem Gedächtnis haften bleiben, die sich besonders stark in meinem Körper festsetzen, die sich besonders stark in mein Herz einbrennen. Augenblicke, in denen scheinbar die Zeit stehen bleibt. Augenblicke einer Stille, die so drückend ist, dass sie mich wegträgt. Ein solch besonderer Augenblick der Stille, er kann mich während eines Liedes oder an seinem Ende überfallen. Nie, außer in einem Konzertsaal, habe ich solche Augenblicke der Lautlosigkeit erlebt.
Wenn alles gut läuft, verschmelze ich mit meinem Publikum. Wir bewegen uns im gleichen Rhythmus, unsere Herzen schlagen im gleichen Takt.
Die Wahrheit des Textes ist zwingend, sie vereint uns. Ich habe den Krieg gegen mich gewonnen.
Dann schließe ich die Augen und wünsche mir, dass die Zeit anhält. Diese Momente der Vereinigung sind noch schöner und intensiver als der Applaus danach. Dennoch, der Applaus, ich brauche ihn wie ein Lebenselixier. Wenn nicht geklatscht wird, fließt das Blut die ganze Zeit nur gemächlich dahin. Ob ich nur eine halbe oder eine ganze oder zwei Stunden singe, ich gebe immer alles, körperlich und mental.
Am Ende eines Konzerts bin ich vollkommen ausgelaugt. Ich spüre, wie ein Bächlein meine Wirbelsäule hinunterplätschert.
Texthänger
Meine Anfänge waren schwierig.
Mein Ruf war skandalumwittert. Nach vielen Jahren, in denen mir meine Auftritte mehr oder weniger gelangen und in denen nach Niederlagen manchmal die Tränen flossen, schlagen mir heute, wenn der Vorhang
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