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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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Bühne befreie ich mich aus dieser Umhüllung. Es ist ein bisschen wie bei einem Schmetterling. Dass mir dann noch Flügel wachsen, das liegt ganz allein an mir. Meine falschen Wimpern sind sehr wichtig. Sie verbergen meinen etwas gehetzten Blick.
    Jetzt bin ich nur noch ein armes Würmchen, das sich hinter seinen falschen Wimpern und unter seinem langen Kleid versteckt. Nur meine Hände und mein Gesicht sind zu sehen; diese drei weißen Flecken, sie werden bald und urplötzlich zu leben beginnen.
    Das schwarze Kleid begleitet mich seit meinen ersten Konzerten.
    1950, nach meinen ersten Auftritten im Le B œ uf sur le Toit, schlägt mir Nico Papatakis, der Chef des Rose Rouge, vor, bei ihm zu singen. Ich sage zu. Les Frères Jacques, der Pantomime Marcel Marceau sowie die Schauspieler Rosy Varte und Yves Robert treten schon seit einigen Monaten hier auf.
    Dieses Cabaret in Saint-Germain ist sehr in Mode gekommen. Man sitzt mit platt gedrücktem Hintern auf harten Hockern, Kissen gibt es keine. Es ist sehr gemütlich, der Raum ist arg verqualmt. Der Gedanke, hier zu singen, macht mich glücklich. Aber mir fehlt das Geld für ein Bühnenkleid, und meine schwarze Hose und mein Pullover lösen sich allmählich in Wohlgefallen auf.
    Nico geht mit mir zur Pierre Balmain und lässt mich alle Kleider der Kollektion, die heruntergesetzt sind, anprobieren. Keines gefällt mir: Sie sind zu bunt, zu unruhig, zu verspielt. Die Verkäuferin lässt sich nicht von mir aus der Ruhe bringen, sie verschwindet kurz und kommt mit einem schwarzen Etuikleid mit goldener Schleppe wieder.
    »Das gefällt mir gut!«, sage ich und sehe Nico dabei an. Ich möchte das Ganze hier beenden, ich geniere mich wegen meiner Unentschlossenheit. Also streife ich mir das Kleid in Windeseile über, springe aus der Umkleidekabine und führe es vor. Nico ist erleichtert, er lächelt. Ohne mit der Wimper zu zucken, legt er die stattliche Summe, die das Kleid, obwohl herabgesetzt, noch kostet, auf den Tisch. Dessen Schicksal ist jetzt beschlossene Sache.
    Zu Hause angekommen, schnappe ich mir eine Nagelschere und – ich bin mir sicher, das Richtige zu tun – trenne die goldene Schleife ab. Ohne seinen kostbaren Rattenschwanz gefällt mir dieses eng anliegende Kleid, das die Arme bis zu den Händen bedeckt, richtig gut. Nur mein Gesicht, die langen schwarzen Haare und die Hände sind zu sehen. Ich habe gerade meine Arbeitskleidung gefunden, meine Konzertgarderobe, »das Schwarze« für die Bühne.
    Als ich zum ersten Mal mit ihm auftrete, hält Nico vergeblich nach der Schleife Ausschau. Er wendet die Augen gen Himmel und bewahrt trotz allem Ruhe.
    Derzeit näht Mine Vergès alle meine Kleider. Wir mögen beide das Einfache, das Schlichte. Abtrennen müssen wir deshalb nichts mehr …
    Der Gang auf die Bühne
    »Noch knapp dreißig Minuten, Juliette!«
    Der Countdown hat begonnen, und ich habe, um die Wahrheit zu sagen, Angst. Ich lese zum x-ten Mal die Liedtexte durch, das Lampenfieber bleibt.
    Dann klopft Alain Michel, der Inspizient, an die Tür und sagt: »Wenn Sie wollen, geht’s in fünf Minuten los.«
    Und ich antworte: »Natürlich will ich … will ich wirklich?«
    Dieser eingespielte Wortwechsel entspannt mich. Auch bei Binsenweisheiten suche ich Zuflucht wie: »Die werden schon nicht ohne mich anfangen.« Das ist eine sichere Methode, meinen Ängsten Paroli zu bieten.
    Ich verlasse die Garderobe in Richtung Bühne. Hinter dem Vorhang höre ich das Publikum, dann die Musiker, die zu spielen anfangen. Ich steuere geradewegs auf das Mikro zu.
    Ich betrete die Bühne und bin nackt. Schlimmer noch, auch meine Haut ist weg. Ich komme mir vor wie ein Anatomiemodell, das alle jetzt beurteilen dürfen. Gefühle brechen über mich herein. Ob ich es schaffe?, frage ich mich bang.
    Es ist jedes Mal der gleiche Sprung ins kalte Wasser. Wenn ich dem Publikum gegenübertrete, ist meine Verletzbarkeit enorm. Nie ist es mir gelungen, eine mentale Stärke zu entwickeln, die es mir erlaubt, mich bereitwillig in die Arena zu stürzen. Meine Stimme, sie hat nie wie ein Schutzschild funktioniert.
    Immer habe ich an mir gezweifelt; vielleicht ist das der Motor meines Lebens. Und wenn ich dann langsam und zielsicher, den Kopf nach oben gereckt, die Bühne betrete, dann wirkt das nur deshalb so selbstsicher, weil die Bangigkeit mich beinahe lähmt.
    Meine Karriere habe ich mir Lied für Lied aufgebaut, nach den Möglichkeiten einer Sängerin, die keine ausgebildete Stimme

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