So bitterkalt
runden Türknauf, den Jan jetzt aufdreht.
Vor ihm liegt eine dunkle Abstellkammer mit Steinwänden. An der Wand neben der Tür ist ein alter Lichtschalter, und er betätigt ihn, um die Batterie des Schutzengels zu schonen.
Eine verstaubte Glühbirne erleuchtet mäÃig einen fensterlosen Raum voller Krimskrams: alte Holzkisten, leere Waschmittelkartons und ein kaputter Garderobenständer. Aber neben einem Regal ist, wie Legén es gesagt hat, eine Fahrstuhltür mit Eisengriff. Eine kleine Tür oder, besser gesagt, eine groÃe Klappe. Sie ist kaum einen Meter breit und auch nicht viel höher, und als Jan hingeht und die Klappe aufzieht, sieht er, dass dies gar kein Fahrstuhl ist. Es ist ein Wäscheaufzug aus Holz, der vor vielen Jahrzehnten gebaut wurde, um zwischen den Etagen von Sankt Psycho die Wäschekörbe hin- und herzuschicken.
Es ist eng darin, unmöglich, aufrecht zu stehen. Jan starrt auf die Ãffnung und zögert. Dann beugt er den Rücken und schiebt Kopf und Schultern hinein.
Es kommt ihm so vor, als würde er ins Gepäckfach eines Busses klettern. Oder in einen groÃen Koffer.
Er hat Platzangst, steigt aber trotzdem ganz hinein.
Staubflusen wirbeln unter seinen Händen und Knien auf, als er sich in den Aufzug setzt. Gekrümmt hockt er da und kann mit etwas Mühe die Beine unterschlagen und sich herumdrehen.
Ehe Jan die Klappe hinter sich zuzieht, wirft er einen Blick auf den Schutzengel. Was macht er, wenn jetzt eines der Kinder aufwacht und nach ihm ruft? Aber daran darf er nicht denken, er ist Rami schon zu nah.
Vierter Stock, siebtes Fenster von rechts.
Er schaltet die Lampe wieder ein. Die Holzwände scheinen näher zu rücken, und sein eigener Schatten zeichnet sich an der Decke ab. Im Lampenschein erkennt er eine Reihe schwarzer Punkte vor sich. Sieben Fahrstuhlknöpfe. Sie sind alt und rissig, vielleicht aus Bakelit, und auf einem steht NOTHALT. Die anderen sechs haben keine Bezeichnung, aber als die Klappe hinter ihm geschlossen ist, drückt er versuchsweise den vierten Knopf.
Ãber ihm in der Fahrstuhlkabine beginnt etwas zu dröhnen, und dann setzt sich der Fahrstuhl gemächlich in Bewegung. Nach oben. Die Wand vor ihm gleitet langsam nach unten, der Aufzug scheppert und klappert.
Jan ist auf dem Weg durch das Krankenhaus. Sein Ziel ist ungewiss, doch er hofft, dass es der vierte Stock sein könnte.
Er schlieÃt die Augen und versucht, den Gedanken zu verdrängen â aber der Fahrstuhl fühlt sich an wie ein Holzsarg.
Die Klapse
Nach etwa einer Woche begann Jan zu erzählen, warum er in den Teich gesprungen war. Nicht einem Psychologen, aber Rami erzählte er es. Es war ein langes Bekenntnis, das er hinter ihrer geschlossenen Tür ablegte.
Rami war an jenem Abend ruhelos. Sie schoss immer wieder aus ihrem ungemachten Bett hoch, um sich dann erneut hinzulegen, ein Kissen über das Gesicht gezogen. Dann wieder rappelte sie sich auf, griff ihre Gitarre und stellte sich an den Rand der Matratze. Sie starrte auf die schwarzen Stoffbahnen in ihrem Zimmer, als würde sie ein Publikum vor sich sehen.
»Ich mag Chaos«, sagte sie. »Chaos ist Freiheit. Mit meinen Liedern will ich der Verunsicherung huldigen. So, wie wenn man an der äuÃersten Kante der Bühne steht und manchmal über den Rand fällt.«
Jan blickte auf den FuÃboden vor ihr, sagte aber nichts.
Rami sah ihn nicht an, sondern redete einfach weiter: »Wenn ich mal eine Platte einspielen kann, dann wird das wie ein Abschiedsbrief sein, nur ohne den Selbstmord.«
Jan schwieg einen Moment, dann senkte er den Blick erneut und sagte: »Ich habe es getan.«
Rami schlug einen harten und dunklen Akkord auf ihrer Gitarre an.
»Was getan?«, fragte sie.
»Ich habe versucht, mich umzubringen«, erklärte Jan. »Vorige Woche.«
Rami schlug noch einen Akkord an.
»Die Leute sollen für die Musik sterben«, sagte sie. »Ein Song muss so gut sein, dass die Leute sterben wollen, wenn sie ihn hören.«
Jan fuhr fort: »Ich wollte sterben, bevor ich hierherkam. Und es hat fast geklappt.«
Jetzt war Rami still und schien nun doch zuzuhören. Sie machte ein paar Schritte zurück und lehnte sich an die Wand. »Du wolltest sterben? In echt?«
Jan nickte vorsichtig.
»Ja, das wollte ich. Aber ich wäre sowieso gestorben.«
»Warum denn?«
»Sie hätten mich
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