So bitterkalt
erneut: »Wir nehmen deine Klamotten schon mal mit!«
Dann die Stimme von Niklas: »Die werfen wir in den Teich, Hauger, damit die Leute denken, dass du ertrunken bist!«
Jan antwortet nicht. Er liegt mucksmäuschenstill in der Dunkelheit. Er schweigt und wartet.
Er weiÃ, dass die vier die Tür zuhalten, aber sie werden bald gehen. Früher oder später wird das Quälen eines kleinen Achtklässlers ermüdend und fühlt sich plötzlich wie Arbeit an, und dann geben sie auf. Darauf wartet er.
Im schwarzen Stahlgehäuse des Saunagerätes fängt es an zu klicken. Er begreift, dass sie es wirklich getan haben: Sie haben drauÃen vor der Tür den Regler der Sauna von AUS auf EIN umgelegt. Aber wie hoch werden sie die Hitze eingestellt haben? Fünfzig Grad? Sechzig? Oder noch viel höher?
Ist auch egal. Die Bande wird bald abhauen.
Irgendwann ist vor der Tür nichts mehr zu hören, und da wagt er, sich zu rühren.
Er steht auf. In der Sauna ist es schon wärmer geworden. Nicht heiÃ, aber warm.
Er horcht noch einmal, dann legt er die Hand an die Tür.
»Ich hab sie nicht aufgekriegt, Rami. Sie hätte aufgehen müssen, aber sie saà absolut fest. Die vier hatten sie irgendwie blockiert. Ich war in der Sauna eingeschlossen, und im Aggregat klickte es ... es wurde immer wärmer.«
Luchs
Vor sich sah Jan StraÃenlaternen schimmern, und ihm wurde klar, dass er auf dem Weg aus dem Wald heraus war.
Er war jetzt eine Dreiviertelstunde in wachsender Panik herumgeirrt und hatte zwischen den Bäumen gesucht, er war sogar unten am See gewesen, hatte aber keine Spur von William gefunden. Ein Fünfjähriger konnte es eigentlich nicht sonderlich weit schaffen, aber er wusste ja überhaupt nicht, in welche Richtung der Junge gelaufen war.
Jan hatte die Kontrolle verloren. Er war müde und wurde immer verzweifelter und auch wütend. Ein paarmal hatte er das Gefühl, als würde sich der Junge vor ihm verstecken und kichernd hinter einem Baum stehen.
Warum war William aus dem Bunker geklettert? Hatte er nicht kapiert, dass er da drinnen sicherer war als drauÃen im Wald? Er hatte ausreichend Essen und Getränke gehabt und würde doch nur knappe zwei Tage eingeschlossen sein. Dann hätte Jan ihn in jedem Fall befreit.
So war sein Plan gewesen. Sein gut durchdachter Plan.
Jan blieb im Unterholz stehen. Die Schuhe waren durchnässt, er fühlte sich erschöpft und leer.
In einem Bunker eingeschlossen â mit einem Spielzeugroboter als einziger Gesellschaft. Jan sah sich im Wald um und begriff plötzlich, wie falsch das alles gewesen war. Es musste jetzt ein Ende finden. Ein glückliches Ende.
Lange stand er am Waldrand und zögerte. Es fühlte sich gut an, nicht gesehen zu werden, aber schlieÃlich trat er doch zwischen den Bäumen heraus in das Licht der StraÃenlaternen. Er war in einer Gegend mit langen Reihen von Mietshäusern und groÃen asphaltierten Innenhöfen, die schon winterfest gemacht worden waren. Viele Fenster waren erleuchtet, aber die StraÃen waren leer.
Jan ging den Bürgersteig hinunter und sah sich um. Er verspürte den Impuls, Williams Namen zu rufen, doch er hielt die Lippen fest zusammengepresst.
Wenn ich fünf Jahre alt wäre , dachte er, und vom Licht der StraÃenlaternen aus dem Wald gelockt worden wäre, wohin würde ich gehen?
Natürlich nach Hause. Wenn man gefangen war und ausbrechen konnte, dann will man nach Hause.
Doch Jan wusste, wo William wohnte, und das war in einem völlig anderen Teil von Nordbro. Dorthin würde der Junge kaum finden.
Ein paar Hundert Meter weiter verlief eine vierspurige DurchgangsstraÃe, und dorthin wanderte Jan. Am liebsten wäre er auch einfach nur nach Hause und ins Bett gegangen, aber dann hätte er William im Stich gelassen. Und nicht nur das â er hätte ihn aufgegeben.
Ein Stück die StraÃe hinunter war eine Bushaltestelle, an der ein paar Jugendliche herumhingen. Auf derselben StraÃenseite ging eine Familie spazieren, ein älterer Mann und seine zwei Kinder, die in Richtung Stadtzentrum marschierten.
Nein, das war keine Familie. Als Jan näher kam, erkannte er, dass das kleinere der Kinder ein Hund war, ein langbeiniger Pudel an einer kurzen Leine. Und das andere ... das andere Kind war ein blonder Junge.
Der Mann, der das Kind an der Hand hielt, sah aus wie sein Opa â
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