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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Schaukel, aber Jan ist nicht richtig bei der Sache. Nachdem er sie angeschubst hat, sieht er zum Zaun hinüber. Es dämmert, und die Scheinwerfer sind bereits eingeschaltet. Ihr Licht glitzert auf dem feuchten Laub und den scharfen Eisendrähten.
    Fünfzehn Jahre sind vergangen, aber Jan hofft, dass es Rami noch gibt. Also, seine Rami. Die eine Zeit lang neben seinem Zimmer in der Klapse wohnte, die ihn zu sich ließ und die erste Person überhaupt war, die ihn für einen vernünftigen Gesprächspartner zu halten schien. Aber es schien nicht nur so, nein, sie fühlte sich in Jans Gegenwart wohl. Und dass sie ihn verlassen hat und wie ein Eichhörnchen abgehauen ist, das hatte ganz andere Gründe.
    Die Kinder schlafen spät ein, erst kurz vor neun.
    Jetzt könnte Jan sich entspannen, aber das ist unmöglich. Leo ist das Einschlafen schwergefallen, und der Junge hat mehrmals nach ihm gerufen. Jans Nerven sind bereits angespannt, und heute Nacht hat er eine lange Wanderung vor sich. Lang und unsicher, auch wenn ihm bewusst ist, warum er das auf sich nimmt.
    Vierter Stock, siebtes Fenster von rechts.
    Um Viertel nach elf sieht er ein letztes Mal nach Mira und Leo, ehe er mit dem Schutzengel am Gürtel die Treppe in den Keller hinuntersteigt. Der Apparat ist vollkommen still, die Kinder haben jetzt über zwei Stunden ruhig geschlafen.
    Er öffnet die Tür zum Schutzraum. Nach seinem letzten nächtlichen Besuch ist die Stahltür, die von dort aus in den Krankenhauskeller führt, immer noch mit dem Stückchen Holz präpariert, und er kann sie in die Dunkelheit hinein aufdrücken.
    Jetzt ist er wieder im Keller der Klinik, aber diesmal ist er besser vorbereitet. Der Schutzengel ist mit neuen Batterien versehen, und der Schein der kleinen Lampe wischt über die gekachelten Wände. Er kennt sich aus, kann sich aber trotzdem nicht entspannen. Als er letztes Mal hier unterwegs war, hatte er Hanna, die über ihn wachte, heute Abend ist er allein.
    Jan geht los. Er hat die primitive Karte von Legén in der Hand – die Pfeile darauf sollen ihm den Weg weisen.
    Und er hat noch etwas dabei, falls er sich verlaufen sollte: Bevor er in den Keller ging, hat er in der Küche gesessen und mehrere Blatt Papier in kleine Schnipsel zerrissen. Die nimmt er jetzt und wirft sie alle paar Meter auf den Boden.
    Sie markieren den Rückweg.
    Bald ist er wieder in den schmutzigen Krankensälen und steckt die Lampe unter den Pullover, damit das Licht nicht zu deutlich zu sehen ist, falls ein Patient aus dem Krankenhaus da unten herumlaufen sollte. Er nähert sich der Wäscherei, und auch wenn Legén behauptet hat, dass dort sonntags niemand arbeite, ist er doch vorsichtig.
    Er sieht zur Decke hoch, wo sich dicke Bündel von Elek­trokabeln schlängeln.
    Irgendwo über ihm sind die Zimmer mit den Patienten. Um die hundert sind es, hatte Högsmed gesagt. Und in einem davon, im vierten Stock, so hofft er, sitzt Alice Rami.
    Jetzt hat er die Wäscherei erreicht. Die Tür ist zu. Aber ist sie auch verschlossen? Er greift nach der Klinke und drückt sie herunter. Die Tür ist schwer, aber sie lässt sich aufziehen.
    Als er das letzte Mal hier war, brannte das Licht an der Decke, jetzt ist es ausgeschaltet. Der Raum liegt wie eine schwarze Grotte vor ihm, nur einzelne rote Lämpchen an Stromzählern und Waschmaschinen leuchten wie rote Tieraugen in der Dunkelheit. Im Hintergrund rauschen dumpf Ventilatoren, die Luft ist warm und schwer.
    Jan betritt den Raum mit Legéns Karte in der Hand.
    Er sucht nach einer breiten Tür, wagt aber nicht, das Licht einzuschalten. Er tastet sich an Stahlschränken mit Vorhängeschlössern und einem Tisch voller ungespülter Kaffeetassen entlang. Dann kommt er in einen kleineren Raum ganz ohne Lichter, und da muss er dann doch wieder sein Lämpchen einschalten.
    Der Lichtschein fällt auf eine riesige Waschmaschine mit Stahlgesicht und einem gähnenden Maul in der Mitte. Daneben hängen lange Regale mit Wäschebündeln entlang der Wände, und oben an der Decke verläuft eine Art Stahlschiene, an der wie kleine weiße Engel Bügel mit Hemden hängen.
    Jan sucht im Lampenschein weiter und gelangt schließlich direkt zu einer breiten schwarzen Stahltür.
    Nach der Karte ist dies die Tür zum Trockenraum. Ein paar Meter links davon befindet sich eine schmalere ­Holztür mit einem

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