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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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verschwommene Gespenster hinter ihr. Sie war zwanzig Jahre alt, hatte vor dem grellen Licht die Augen geschlossen und sah aus, als würde sie ins Mikrofon knurren. Es war das einzige Fanbild, das er je entdeckt hatte, und deshalb hatte er es all die Jahre aufgehoben.
    Eine der Erzieherinnen, die etwas älter war als Jan, blieb davor stehen.
    Â»Rami?«, fragte sie. »Magst du sie?«
    Â»Klar«, erwiderte Jan. »Also, ihre Musik. Hast du sie mal gehört?«
    Die Kollegin nickte, den Blick weiter auf Rami gerichtet. »Ich habe damals ihre erste Platte gehört, aber das ist ja schon eine Weile her. Da ist nie eine zweite rausgekommen, oder?«
    Â»Nee«, sagte Jan leise.
    Â»Und dann wurde sie eingewiesen.«
    Jan sah sie an. Das war ihm neu. »Eingewiesen? In ein Krankenhaus?«
    Â»Ja. Sie ist in einer Art Psychiatrischer Klinik. Sankt-Patrik-Krankenhaus, hier an der Westküste.«
    Jan hielt den Atem an. Alice Rami war in einer Klinik? Er versuchte sich das vorzustellen.
    Doch, es ging.
    Â»Woher weißt du das?«, fragte er.
    Die Kollegin zuckte mit den Schultern. »Ich hab es vor ein paar Jahren irgendwo gehört, ich erinnere mich nicht mehr genau. Eben Tratsch.«
    Â»Weißt du, warum ... Warum ist sie da gelandet?«
    Â»Keine Ahnung«, antwortete die Kollegin. »Aber sie muss ja wohl irgendwas Verrücktes gemacht haben, oder?«
    Jan nickte schweigend.
    Sankt-Patrik-Krankenhaus . Er hätte seine Kollegin gern noch mehr über Rami gefragt, doch er wollte nicht den Eindruck erwecken, von Rami besessen zu sein. Im Laufe der Jahre war er immer mal in unterschiedlichen Foren im Internet unterwegs gewesen und hatte nach Nachrichten über Rami gesucht, doch niemals etwas gefunden. Dies war nun der seit Langem beste Tipp.
    In der nächsten Zeit geschah nichts weiter, außer dass der Sommer einfach so vorbeiging, und auch Jan machte einfach so weiter – allerdings als Arbeitsloser. Mehrere Wochen lang sah er die Lokalanzeigen im Göteborgs-Posten auf der Suche nach Stellen in Vorschulen durch, und er fand auch einige, bei denen er sich bewarb.
    Anfang Juli hatte er dann die Anzeige der Vorschule »die Lichtung« entdeckt. Sie sah aus wie alle anderen, doch Jan schnitt sie wegen der Adresse der Kontaktperson aus. Die Anschrift des Oberarztes Högsmed lautete: »Geschäftsleitung Forensische Psychiatrische Klinik Sankt Patricia in Valla«, das war von Göteborg eine knappe Zugstunde entfernt.
    Jan las die Anzeige wieder und wieder.
    Eine Vorschule in einer Forensischen Psychiatrischen Klinik? Warum denn das?
    Dann erinnerte er sich an das Gerücht, dass Alice Rami im »Sankt-Patrik-Krankenhaus, hier an der Westküste« einsaß. Sankt Patrik könnte doch ein Missverständnis sein, und die Klinik hieß eigentlich Sankt Patricia?
    Und da setzte er sich hin und rief Doktor Högsmed an.
    Jan hatte sich im Laufe des Frühjahrs und des Sommers bei einem Dutzend verschiedener Vorschulen in und um Göteborg beworben, hatte aber keine Stelle bekommen. Da konnte er gut noch eine weitere Bewerbung schreiben.

6
    Um Viertel nach acht am Donnerstagmorgen klingelt Jans Telefon. Er liegt noch im Bett, rappelt sich hoch, geht ran und hört eine Männerstimme in der Leitung.
    Â»Guten Morgen, Jan! Hier ist Patrik Högsmed von der Klinik Sankt Patricia. Habe ich Sie geweckt?«
    Die Stimme des Doktors strotzt vor Energie.
    Â»Nein ... kein Problem.«
    Jans eigene Stimme ist heiser und träge, er hat tief geschlafen und seltsame Träume gehabt. Kam Alice Rami auch darin vor? Eine Frau war dabei gewesen, sie hatte, in schwarzen Pelz gekleidet, auf einer Bühne gestanden und war in eine große Kiste geklettert ...
    Der Oberarzt holt ihn in die Gegenwart zurück. »Ich wollte nur berichten, dass wir gestern noch eine Weile in der ›Lichtung‹ gesessen und geredet haben, also das Per­sonal und ich. Ein sehr wertvolles Gespräch. Und danach bin ich in mein Büro gegangen und habe noch ein wenig nachgedacht und dann auch mit der Klinikleitung gesprochen. Ja, und jetzt haben wir uns entschieden.«
    Â»Aha?«
    Â»Also frage ich Sie einfach: Können Sie so rasch wie möglich herkommen und mit uns über die Einstellungsbedingungen sprechen? Und dann am nächsten Montag hier anfangen?«
    Das Leben kann sich so schnell verändern. Drei Tage später ist Jan wieder in Valla,

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