So bitterkalt
sich die Vorschule vorgestellt hatte, aber in dem Pavillon merkt man gar nichts von der Betonmauer, die nur ungefähr zwanzig Meter entfernt an der »Lichtung« vorbei verläuft.
Nach den kahlen Fluren und Högsmeds weiÃem Büro in Sankt Patricia ist Jan jetzt in einer regenbogenbunten Welt gelandet: Hier bedecken ausufernde Kinderzeichnungen die Wände, stehen kleine gelbe und grüne Stiefel im Eingang aufgereiht und warten groÃe Kisten mit Kuscheltieren und Bilderbüchern im Spielzimmer auf die Kinder. Die Luft hier ist etwas zu warm und schwer, wie in allen Räumen, in denen eben noch Kinder gespielt haben.
Jan hat im Laufe der Jahre schon viele helle und saubere Vorschulen gesehen, doch die »Lichtung« vermittelt ihm bereits beim Betreten ein besonderes Gefühl von Ruhe. In diesem kleinen Haus herrscht Harmonie, es fühlt sich sehr gemütlich an.
Im Moment ist es ziemlich still, denn die Kinder halten im Kissenzimmer ihren Mittagsschlaf. Deshalb können sich alle Erzieher zusammensetzen.
Neben Marie-Louise gibt es noch zwei jüngere Kolleginnen und einen Kollegen. Lilian, mit dunkelrotem hochgestecktem Haar, ist um die fünfunddreiÃig. In ihrem Blick liegt eine Traurigkeit, die sie angestrengt zu verbergen sucht â Lilian redet viel, bewegt sich nervös, und ihr Lachen ist eine Spur zu laut. Die andere Kollegin, Hanna, mit glattem blondem Haar ist vielleicht zehn Jahre jünger und trägt eine weiÃe Bluse und rosafarbene Jeans. Sie hat schöne blaue Augen und ist sehr still.
Lilian und Hanna sind sich gar nicht ähnlich, aber sie haben etwas gemeinsam. Mitten in der Kaffeepause gehen sie raus, um auf der StraÃe vor dem Zaun der »Lichtung« zu rauchen, und durch das Fenster betrachtet, wirken sie dabei sehr vertraut. Lilian flüstert etwas, und Hanna nickt.
Als Marie-Louise zu den beiden Raucherinnen hinaussieht, zeigt sich eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen. Dann kommen die beiden zurück, und da lächelt sie wieder.
Besonders oft lächelt Marie-Louise dem vierten Angestellten der Tagesstätte zu: Andreas. Er raucht nicht, sondern nimmt nur Snus, und mit seinen breiten Schultern erinnert er eher an einen Bauarbeiter als an einen Erzieher. Andreas strahlt Sicherheit aus, nichts scheint ihn zu beunruhigen.
Der Oberarzt Högsmed sitzt auch am Küchentisch. Er hat Jan zunächst einmal vorgestellt und ihn den »männÂlichen Kandidaten« genannt, was verriet, dass mindestens noch eine andere Person für die Stelle infrage kommt. Nun möchte Högsmed die Mitarbeiter zu Wort kommen lassen.
Aber worüber könnten sie denn reden? Jan hat schlieÃlich soeben die Personalregeln durchgelesen und nicht vor, gleich gegen sie zu verstoÃen. Also kann er keine Fragen über das Krankenhaus Sankt Patricia stellen, und er kann nicht über die Kinder sprechen. Er sucht nach einem Gesprächsthema.
»Wer war eigentlich Sankt Patricia?«, fragt er schlieÃlich.
Der Doktor sieht ihn an. »Eine Heilige natürlich.«
»Aber was hat sie gemacht? Und wann hat sie gelebt? Wissen Sie das?«
Seine Frage wird ihm nur mit Schweigen und Kopfschütteln beantwortet.
»Wir haben hier nicht so viel mit Heiligen zu tun«, sagt Högsmed und lächelt verbissen.
Es wird wieder still, also fragt Jan nach den Arbeitszeiten.
»Die âºLichtungâ¹ ist rund um die Uhr besetzt«, erklärt Marie-Louise. »Wir haben drei Kinder, die zurzeit nicht in Pflegefamilien sind, das heiÃt, sie wohnen auch nachts hier.« Sie macht eine kurze Pause und sieht ihn fragend an. »Jan, wäre das ein Problem für Sie, hier nachts allein die Verantwortung zu übernehmen?«
»Ganz und gar nicht.«
Am Küchenfenster neben Jan klopft es sacht, und als er den Kopf wendet, sieht er, dass es angefangen hat zu regnen. Bald klatschen harte Tropfen an die Scheibe, hinter der man die Steinmauer und das Krankenhaus sehen kann. Er sieht zur Klinik hinüber, bis Lilian fragt: »Haben Sie Familie, Jan?«
Diese Frage ist neu. Ist Lilian ein Familienmensch? Er lächelt ihr reflexhaft zu. »Ja, einen kleinen Bruder, der in London Medizin studiert, und eine Mutter oben in Nordbro. Aber keine Frau und keine eigenen Kinder.«
»Eine Freundin vielleicht?« Lilian lässt nicht locker.
Jan öffnet langsam den Mund, aber Marie-Louise beugt sich mit einer etwas
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