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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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seiner neuen Heimatstadt. Doch er hat dort noch keine Bleibe, also steht er an diesem Nachmittag in einer fremden Wohnung und betrachtet die enge Diele voller Möbel und Umzugskartons. Die Wohnung liegt in einem der großen Mietshäuser der Stadt, nördlich vom Zentrum und in westlicher Richtung von Sankt Patricia.
    Eine alte Frau mit silberfarbenem Haar und einer grauen Strickjacke taucht zwischen den Kartonstapeln auf – sie ist so klein, dass es aussieht, als würden die Kisten sie gleich erdrücken.
    Â»Hier wohnen zumeist ältere Mieter«, erklärt die Frau, »fast keine Familien mit Kindern. Also kein Geschrei und Getrampel.«
    Â»Gut«, sagt Jan und geht etwas weiter in die Wohnung hinein.
    Â»Zur Untermiete kostet es monatlich viertausendeinhundert«, fährt die Frau fort und schielt etwas verlegen zu Jan hin. »Ich habe kaum etwas auf die ursprüngliche Miete aufgeschlagen, es gibt also nichts mehr runterzuhandeln und zu feilschen. Aber dafür kriegen Sie sie auch voll möbliert.«
    Â»Okay.«
    Voll möbliert? Noch nie hat Jan so viele Sachen in einer Wohnung gesehen. Stühle, Schränke und Kommoden stehen entlang der Wände gestapelt. Das Ganze gleicht mehr einem Möbellager als einer Wohnung, und in gewisser Weise ist es auch ein Lager. Die Möbel und die Kisten gehören dem Sohn der Frau, der zurzeit in Sundsvall lebt.
    Jan macht den Schrank in der Küche auf und entdeckt reihenweise Flaschen auf den Regalbrettern – Alkohol. Rum, Wodka, Cognac und verschiedene Liköre. Leer ge­trunken.
    Â»Die sind nicht von mir«, beeilt die Frau sich zu sagen, »die sind noch vom Vormieter.«
    Jan macht den Schrank wieder zu.
    Â»Gibt es einen Dachboden?«
    Â»Da stehen die Fahrräder meiner Enkel«, erklärt die Frau. »Also, sind Sie interessiert?«
    Â»Doch. Ein wenig.«
    Er hat schon bei der Wohnungsvermittlung in Valla angefragt – in diesem Monat gibt es keine freien Wohnungen, und die Wartezeit für einen eigenen Mietvertrag beträgt mindestens ein halbes Jahr. Unter »Zu vermieten« in der Lokalzeitung fand sich nur diese möblierte Dreizimmerwohnung.
    Â»Ich nehme sie«, sagt er.
    Nach dem Mittagessen fährt er am selben Tag wieder mit dem Zug zurück in seine Einzimmerwohnung in Göteborg, holt seinen alten Volvo aus der Werkstatt und kauft ein paar Umzugskartons. Über das Wochenende packt er seine eigenen Möbel in einen Anhänger und fährt sie zur Müllverbrennung. Jan ist nun fast dreißig Jahre alt, doch er besitzt immer noch nicht viel – und noch weniger, womit er sich verbunden fühlt. Es ist eine Art von Freiheit, nicht zu viel zu besitzen.
    Dann zieht er in die Dreizimmerwohnung ein und verstaut die Umzugskartons der Frau so gut es geht, versucht, allen Kram in den Schränken und hinter dem Sofa zu verstecken. Jetzt hat er eine Art von Zuhause.
    Seinen schräg gestellten Zeichentisch hat er mitgenommen, und die fast zweihundert Seiten lange Comicserie über den Helden, die er Der Scheue nennt. Daran arbeitet er jetzt seit fünfzehn Jahren, nimmt sich aber fest vor, sie hier in Valla zu beenden. Das Finale wird natürlich ein großer Showdown zwischen Dem Scheuen und seinen Feinden, Der Viererbande, werden.
    Montag, der 19. September, ist ein schöner Herbsttag. Die Sonne scheint auf Bäume und Straßen und auf die große Betonmauer um Sankt Patricia. Um Viertel nach acht durchschreitet Jan sie zum zweiten Mal allein und meldet sich beim Chefarzt, der ihn an der Rezeption empfängt.
    Högsmed schüttelt ihm die Hand. Seine Augen sind jetzt gesund. Scharf.
    Â»Herzlichen Glückwunsch zu der Stelle, Jan.«
    Â»Danke, Dokt... Patrik. Danke für das Vertrauen.«
    Â»Das ist kein Vertrauen, Sie waren der beste Kandidat.«
    Dann gehen sie durch die vielen, stets versperrten Türen zum Personalchef, und Jan setzt seinen Namen unter die verschiedenen Verträge. Jetzt ist er ein Teil des Krankenhauses.
    Â»Das wäre erledigt«, meint Högsmed. »Sollen wir nun zu Ihrem neuen Arbeitsplatz gehen?«
    Â»Gern.«
    Sie passieren das Tor in der Mauer und treten auf die Straße hinaus, aber Jan kann nicht umhin, noch einen Blick zur Seite zu werfen, zu Patricia.
    Högsmed hält unterdessen einen kleinen Vortrag: »Die Anstalt ist Ende des 18. Jahrhunderts errichtet worden. Zu Anfang war es eine Anstalt

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