So bitterkalt
kräftiger und hat kurz geschnittene schwarze Haare. Irgendwie kommt er Jan bekannt vor.
Ein Wachmann von der Tag-Sec? Jedenfalls erinnert er Jan an einen Kampfhund, der bereit ist, jederzeit loszuspringen und seine Zähne in einen Gummireifen zu schlagen â oder in einen Hals.
Von seinem dicken Gürtel baumeln sein Schlüsselbund und ein paar weiÃe Plastikschlingen, daneben sitzt ein Behälter, der wie eine kleine Thermosflasche aus Stahl aussieht. Sind das Handfesseln, und ist das Tränengas?
Der Wachmann macht drei lange Schritte in den Raum hinein, und Jan spannt seinen Körper an wie vor einem Angriff, fast zuckt er zurück. Doch mitten im Raum bleibt der Wachmann stehen. Er starrt Jan an.
»Danke dir«, sagt er nur.
Jan nickt, bewegt sich aber nicht. In der Türöffnung kann er einen Schatten erkennen. Etwa einen Meter von der Schwelle entfernt wartet jemand, eine Person, die nicht den Raum betreten und sich zeigen will. Das muss ein Patient von Sankt Psycho sein, vielleicht Josefines Mutter.
»Danke«, sagt der Wachmann noch einmal. »Wir übernehmen jetzt, alles in Ordnung.«
Seine Stimme klingt mechanisch, gefühllos.
»Gut.«
Doch für Jan ist nicht alles in Ordnung. Sein Herz pocht, die Hände zittern. Wachleute und Polizisten machen ihn nervös.
Er ist fast überzeugt davon, dass Rami Josefines Mutter ist, dass es Rami ist, die da weniger als zehn Meter von ihm entfernt hinter dem Wachmann im Flur steht. Wenn er nur noch ein wenig stehen bleibt, dann wird er sie sehen und mit ihr sprechen können.
Aber der Wachmann macht einen weiteren groÃen Schritt in den Raum, den Blick immer noch auf den Fahrstuhl gerichtet, und Jan kann jetzt nicht länger bleiben. Er sieht Josefine ein letztes Mal an, lächelt ihr beruhigend zu und sagt, etwas zu laut: »Wir sehen uns bald, Josefine! Ich komme dich abholen. WeiÃt du noch, wie ich heiÃe?«
Josefine blinzelt. »Jan«, murmelt sie.
»Ganz genau. Jan Hauger.«
Jetzt hat er seinen Namen so laut und deutlich gesagt, dass Josefines Mutter ihn auch gehört haben muss. Das ist ihm wichtig. Dann macht er die Fahrstuhltür zu und fährt zurück in die Vorschule.
Auch wenn er von dem Zusammentreffen mit dem Wachmann ganz weiche Knie hat, denkt er doch die ganze Zeit an Rami.
Er spürt, dass er ihr da oben ganz nah war und beinahe Kontakt zu ihr hätte aufnehmen können. Dann hätte er ihr erklären können, warum das mit dem kleinen William im Wald damals so lief.
Luchs
»Spielen wir Verstecken?«, fragte Jan.
Es war höchste Zeit für diesen Vorschlag, denn die neun Jungs und er waren nun schon eine Weile auÃer Sichtweite von Sigrids Gruppe. Die Frage klang mehr wie ein Befehl, und die Jungen um ihn herum protestierten nicht.
»Jan muss suchen!«, rief Max.
Jan nickte ihm zu, natürlich würde er suchen. Aber er fuhr im selben Befehlston fort: »Lauft einer nach dem anderen weg. Ich bestimme, in welche Richtung ihr laufen sollt. Dann müsst ihr euch verstecken und sollt so lange warten, bis ich euch finde oder rufe, dass ihr rauskommen sollt. Verstanden?«
Die Jungen nickten, also fing er an, auf einen nach dem anderen zu deuten. »Max, du läufst dahin.« Er zeigte auf ein paar dicke, zwanzig Meter entfernte Steine, und Max drehte sich rum und rannte los.
»Nicht zu weit weg!«, rief Jan hinter ihm her und deutete auf den Nächsten. »Paul, du läufst da hinüber ...«
Einen nach dem anderen schickte er zwischen die Tannen, doch die ganze Zeit sozusagen in dieselbe Richtung.
Am Ende war nur noch der kleine William übrig.
Jan trat zu ihm. So nah war er dem Jungen noch nie gewesen, und er hockte sich hin, damit sie einander in die Augen sehen konnten.
»Wie heiÃt du?«, fragte er, als ob er es nicht wüsste.
»William.« Der Junge antwortete leise und wich seinem Blick schüchtern aus. Es war das erste Mal, dass Jan ihn ansprach, und für William war er einfach nur irgendein Erzieher.
»Okay, William. Du kannst in die Richtung gehen. Siehst du den roten Pfeil?« Jan zeigte hinüber.
William sah hin und entdeckte den fast einen Meter langen Stoffpfeil, den Jan am Abend zuvor auf dem Hügel aufgebreitet hatte. Der Junge nickte stumm.
»Folge allen Pfeilen, die du da siehst, William, und versteck dich dann. Die Pfeile führen dich zu einem superÂguten Versteck.
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