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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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wieder neue Gesichter. Einige werden rausgelassen, andere werden eingewiesen.«
    Â»Aber du kennst die Namen von denen, die schon lange da sind, oder?«
    Rettig hält abwehrend die Hand hoch. »Eines nach dem anderen. Wir können gerne noch ein wenig über unsere Gäste plaudern, aber erst will ich wissen, ob du dich entschieden hast.«
    Â»Wofür entschieden?«
    Â»Ob du ihnen helfen willst.«
    Jan macht ein paar Schritte ins Zimmer. »Da müsstest du schon etwas mehr erzählen. In Bills Bar hast du nur gesagt, dass es im Krankenhaus zu viele Verbote gebe.«
    Rettig nickt. »Darum dreht sich alles. Es gibt im Patricia zu viel Bürokratie und zu viele Bestimmungen, vor allem in den geschlossenen Abteilungen. Die Tag-Sec bestimmt alles da oben.«
    Â»Die Tag-Sec, das sind deine Kollegen von der Tagschicht?«
    Â»Genau.« Rettig seufzt finster bei dem Gedanken an die Kollegen und sieht zur Decke hoch. »Die Patienten dürfen nicht Briefe schreiben, an wen sie wollen, und ihre Post wird kontrolliert. Sie dürfen nicht fernsehen oder Radio hören, ständig werden sie durchsucht ...«
    Jan nickt, er erinnert sich, wie er am Eingang seine Tasche aufmachen musste.
    Â»Man ist die Überwachung irgendwann einfach leid«, sagt Rettig. »Wir sind ein paar Kollegen in der Klinik, die sich schon viel darüber unterhalten haben, und wir finden, dass man fügsamen Patienten etwas mehr Kontakt zur Außenwelt erlauben sollte.«
    Â»Ach ja?«
    Â»Zum Beispiel durch Briefe«, sagt Rettig. »Es gibt Leute, die den Patienten Briefe schreiben – ihre Eltern, ihre Freunde, ihre Geschwister. Aber die Tag-Sec hält die Briefe entweder zurück, oder sie öffnet sie und schnüffelt herum. Also wollen wir versuchen, die Briefe reinzuschmuggeln.«
    Jan sieht ihn an. »Und wie soll das vonstattengehen? Von der Vorschule darf niemand ins Krankenhaus hinaufkommen.«
    Â»Doch«, erwidert Rettig rasch. »Du darfst das, Jan, du mit deinen Kindern.«
    Jan schweigt, also fährt Rettig fort: »Ihr dürft unbewacht ins Besuchszimmer raufgehen. Da gibt es keine Kameras und keine Kontrollen. Und nachts steht der Raum vollkommen leer. Dann kann jeder, der möchte, ein Bündel Briefe dort deponieren, die dann von mir geholt und in der Klinik verteilt werden können.«
    Jan wirft einen Blick über die Schulter, als wolle er sich vergewissern, dass nicht Doktor Högsmed hinter ihm steht. »Und woher kommen diese Briefe?«, fragt er.
    Rettig zuckt mit den Schultern. »Von Briefeschreibern. Die Leute schicken alles Mögliche ins Krankenhaus, doch das meiste wird eben abgefangen. Also habe ich mir einen Freund bei der örtlichen Postsortierung zugelegt. Der hat angefangen, alle handgeschriebenen Briefe, die an Leute in Sankt Patricia adressiert sind, beiseitezulegen und mir zu geben.«
    Rettig sieht zufrieden aus, aber Jan lacht nicht.
    Â»Dann sind das also unbekannte Briefe? Ihr wisst nicht, was da drinnen ist?«
    Â»Doch, das wissen wir«, erwidert Rettig. »Papier ist drin, Papier mit Worten drauf. Es sind einfach nur gewöhnliche Briefe.«
    Jan sieht ihn skeptisch an. »Ich schmuggle keine Drogen.«
    Â»Es sind keine Drogen«, meint Rettig beharrlich. »Nichts Ungesetzliches.«
    Â»Aber ihr verstoßt gegen die Regeln.«
    Â»Stimmt.« Rettig nickt. »Aber das hat Mahatma Gandhi auch getan. Für eine gute Sache.«
    Sie schweigen eine Weile. Dann räuspert sich Jan. »Kannst du ein bisschen von den Patienten erzählen?«
    Â»Von wem denn?«
    Jan will Ramis Namen nicht erwähnen. Noch nicht.
    Â»Ich habe da oben eine alte Frau gesehen«, sagt er deshalb. »Graue Haare, in einem schwarzen Mantel. Sie sammelt Laub beim Zaun. Ich wollte nur wissen, ob sie im Patricia arbeitet oder ob sie eine Patientin ist.«
    Rettig sieht ihn ernst an. »Eine Patientin«, sagt er leise. »Sie heißt Margit und sitzt ein. Aber sie ist nicht so alt, wie man meinen könnte.«
    Â»Ach wirklich? Ich habe sie beim Zaun gesehen. Sie steht da und starrt zu den Kindern herüber.«
    Â»Das tut sie, seit die Vorschule eröffnet worden ist«, sagt Rettig. »Wenn man sie in den Hof lässt, geht sie immer zur Vorschule hinüber und stellt sich an den Zaun.«
    Â»Mag sie Kinder?«
    Rettig schweigt wieder.
    Â»Margit hatte drei eigene Kinder«, sagt er nach einer

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