So bitterkalt
handgearbeitet, deshalb sind es bestimmt Unikate. Und es muss sie jemand in die Bücherkiste im Spielzimmer gelegt haben.«
»Marie-Louise bestückt sie immer mit Büchern«, erklärt Hanna.
»Aber die stammen nicht von ihr. Ich glaube, dass eines der Kinder sie oben im Besuchszimmer von seinen Eltern bekommen hat.«
Hanna blättert in den Bilderbüchern und sieht dann zu Jan hoch. »Wer hat sie geschrieben?«
»Sie nennt sich Maria Blanker«, sagt Jan. »Es ist Josefines Mutter. Da bin ich mir fast sicher.«
»Blanker«, wiederholt Hanna. »Die möchtest du also im Krankenhaus treffen?«
»Ja. WeiÃt du, wer das ist?«
»Ich habe ein bisschen von ihr gehört«, erwidert Hanna.
»Von Rössel?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Von Carl, meinem Kontakt da oben.«
Den Namen kennt Jan natürlich. Der Schlagzeuger von den Bohemos.
Hanna sieht von den Büchern auf. »Darf ich sie mal ausleihen?«
Er zögert. »Okay«, sagt er schlieÃlich. »Ein paar Tage.«
Sie stapelt die Bücher und steht auf, es ist Zeit, nach Hause zu gehen.
Aber Jan hat noch eine letzte Frage: »Sitzt Maria Blanker in der offenen oder in der geschlossenen Abteilung?«
»Ich weià nicht, wo sie sitzt, ich war noch nie in den Abteilungen«, sagt Hanna und fügt hinzu: »Aber sie müsste eigentlich in der Geschlossenen sitzen.«
»Warum?«
»Weil die Blanker psychotisch ist. Sie ist total abgedreht. Das habe ich zumindest gehört.«
»Was hat sie getan?«, fragt Jan. »WeiÃt du das?«
»Sie ist gefährlich gewesen.«
»Für sich selbst«, hakt Jan nach, »oder für andere?«
Hanna schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung«, sagt sie. »Da musst du wohl zu ihr reingehen und sie fragen.«
»Klar.«
Jan verzieht den Mund ein wenig über den Witz, aber Hanna lacht nicht.
»Ich meine es ernst. Es gibt immer einen Weg, wenn man nur will.«
»Aber in Sankt Patricia sind alle Wege verschlossen.«
»Einer ist offen.«
»Und den kennst du?«
Hanna nickt. »Ich weiÃ, wo er ist, aber es ist nicht ganz einfach, ihn zu gehen ... Hast du Platzangst, Jan?«
Luchs
Eingesperrt zu sein ist doch wohl nicht so schlimm, solange man nur genug zu essen und zu trinken hat und nicht frieren muss, oder? Und einen sprechenden Roboter zur Gesellschaft?
Das redete Jan sich wieder und wieder ein, wenn er an den kleinen William im Bunker dachte.
Im Gegenteil, zwischen dicken Betonwänden eingesperrt zu sein konnte einem ein richtig sicheres Gefühl geben.
Es war halb neun Uhr abends, und die Polizei hatte die Suche nach William vor einer halben Stunde abgebrochen. William war spurlos verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst.
Oder zumindest den festen Boden unter den FüÃen verlassen. Die letzte Stunde hatte der Einsatzleiter den SuchÂtrupp auf das lang gezogene Ufer des Vogelsees konzentriert, und Jan begriff, dass die Polizei befürchtete, der Fünfjährige wäre ins Wasser gefallen.
Bei Tagesanbruch am nächsten Morgen würde die Polizei die Suchkette mit mehr Personal erneut losschicken.
Jan war zusammen mit einem älteren Polizisten, der angestrengt durch den Wald gekeucht war, zum »Luchs« zurückgegangen.
»Verdammter Mist, so etwas ist schlimm. Hoffen wir mal, dass er die Nacht überlebt, aber groÃe Chancen sehe ich da nicht.«
»Es ist aber doch recht warm drauÃen«, erwiderte Jan. »Sicher geht es ihm gut.«
Doch der Polizist schien nicht zuzuhören.
»Verdammter Mist«, fluchte er. »Ich bin einmal dabei gewesen, als ein Junge tot auf einem Waldweg gefunden worden ist. Jemand hatte ihn mit seinem Auto überfahren und dann wie einen Müllsack im Wald versteckt.« Er sah Jan mit müdem Blick an. »So was vergisst man nie.«
Wieder zurück im Personalraum, vernahm Jan plötzlich ein dumpfes, surrendes Geräusch in der Ferne, das schnell zu einem knatternden Dröhnen über der Tagesstätte anwuchs.
Er sah die Leiterin des »Luchs«, Nina Gundotter, an. Sie saà am Telefon, als würde sie darauf warten, dass William früher oder später anrufen und mitteilen würde, wo er sich befand.
»Ist das ein Helikopter?«, fragte er.
Nina nickte. »Den hat die Polizei bestellt«, erklärte sie leise. »Sie konnten keine Suchhunde kriegen, aber
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