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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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sitzt er nicht draußen.
    Als Jan in der achten Klasse war, ging Christer Vilhelmsson in die neunte, und da er jetzt neunundzwanzig ist, müsste der Schulkamerad dreißig geworden sein. Die Zeit vergeht, auch wenn Christer selbst es wahrscheinlich nicht bemerkt.
    Ein einziges Mal, an einem sonnigen Frühlingstag vor vier Jahren, war Christer draußen auf der Terrasse gewesen, als Jan vorbeikam. Er hatte in einem Gartenstuhl gesessen, nicht in einem Rollstuhl, aber Jan hatte sich gefragt, ob er wirklich ohne Hilfe gehen konnte.
    Sogar auf die Entfernung von fünfzig Metern konnte Jan erkennen, dass dieser sechsundzwanzigjährige Mann nur rein körperlich erwachsen war. Die Leere in seinem Gesicht und die Art und Weise, wie er die ganze Zeit dasaß und mit etwas schief gelegtem Kopf vor sich hin nickte, zeigte, dass seit jener Nacht damals im Wald die Zeit für Christer Vilhelmsson rückwärtsgelaufen war. Das Auto, das ihn in der Dunkelheit angefahren hatte, hatte ihn in den Graben und gleichzeitig zurück in die Kindheit geschleudert.
    Jan hatte etwa eine Minute dagestanden und seinen ehemaligen Schulkameraden betrachtet, vor dem er in frü­heren Zeiten einmal Todesangst gehabt hatte. Dann war er weitergegangen und hatte dabei weder Freude noch Trauer verspürt.
    Am Stortorget in Nordbro betritt er, wie er es früher oft getan hat, Fridmans Eisenwarenladen. Der Sohn des Gründers, Torgny Fridman, hat den Laden jetzt übernommen, und an diesem Samstag steht Torgny selbst, ein schlanker Mann mit kurz geschnittenem hellrotem Haar, hinter dem Tresen.
    Jan geht ganz nach hinten in den Laden und sieht sich ein paar Holzäxte an. Er hat kein Holz zu spalten, nimmt aber trotzdem verschiedene Modelle in die Hand, wiegt sie und schwingt sie langsam durch die Luft.
    Währenddessen sieht er verstohlen zur Kasse hinüber. Torgny Fridman hat sich einen dunkelblonden Bart wachsen lassen. Er steht hinter dem Tresen und spricht mit ein paar Kunden, einer Familie mit Kindern, ohne Jan zu beachten. Mittlerweile sind fünfzehn Jahre vergangen, und Torgny scheint ihn vergessen zu haben. Warum auch nicht? Jan ist der Einzige, der sich an sie erinnert.
    Er nimmt sich die allergrößte Axt, die fast einen Meter lang ist.
    In dem Moment klingelt die Glocke an der Ladentür.
    Â»Papa!«
    Ein kleiner Junge in weißem Pullover und zu großen Jeans ist hereingekommen und rennt zum Tresen. Hinter ihm geht eine Frau um die dreißig, sie lächelt.
    Torgny empfängt den Jungen mit ausgestreckten Armen und hebt ihn hoch. Für einen kurzen Moment ist er ausschließlich glücklicher Vater, nicht mehr Eisenwarenhändler.
    Jan starrt die beiden ein paar Sekunden lang an. Die Axt ist schwer, schwer und gut ausbalanciert. Schwing sie dir über den Kopf, hoch, hoch  ...
    Er setzt sie ab und verlässt grußlos den Laden. Torgny und er waren noch nie Freunde, und sie werden es auch nie sein.
    Die letzte Station für Jan ist der »Luchs«.
    Die Kindertagesstätte, in der er als Zwanzigjähriger gearbeitet hat, liegt ein paar Kilometer vom Zentrum entfernt. Jan überlegt, ob er wirklich hingehen will, doch dann tut er es.
    Die Einrichtung ist geschlossen, schließlich ist Samstag. Jan bleibt vor dem Eingang stehen und betrachtet die Holzbaracke – hier hat sich nicht viel verändert. Sie ist immer noch in brauner Ölfarbe gestrichen, kommt ihm aber kleiner vor als beim letzten Mal. Das Bild von einem Luchs, das früher an der Eingangstüre hing, ist verschwunden. Vielleicht hat die Tagesstätte jetzt einen freundlicheren Namen, etwa »Glockenblume« oder »Feldhase«. Oder vielleicht »Lichtung«.
    Hier hat er gearbeitet, direkt nach dem Schulabschluss. In mancher Hinsicht war er, als er zum Haus »Luchs« kam, immer noch ein verirrtes Kind, auch wenn ihm selbst das damals nicht klar war. Ob noch jemand aus der Zeit hier arbeitet? Die Leiterin Nina? Sigrid Jansson auf jeden Fall nicht, denn sie verließ den »Luchs« ungefähr zur selben Zeit wie er.
    Sie ging als gebrochene Frau. Die letzte Zeit in der Tagesstätte waren sie einander aus dem Weg gegangen, wenn sie gleichzeitig im Hof waren, und jedes Mal, wenn Sigrid ihn ansah, fühlte er sich unbehaglich. Vielleicht war sie nur nach wie vor zutiefst erschüttert wegen dessen, was geschehen war, doch er empfand ihr Schweigen auch als kühl und abweisend oder

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