So bitterkalt
dort, und als für einen Moment niemand im Personalraum war, steckte er einen Zettel mit seiner Adresse und einer Frage in ihre Jackentasche:
MORGEN ABEND 20 UHR KAFFEE BEI MIR?
JAN H.
Sie antwortete ihm nicht, bis sie ging, trotzdem hat er auf dem Nachhauseweg Brot gekauft. Sie muss einfach kommen, schlieÃlich haben sie gemeinsame Interessen.
Sie teilen ein Geheimnis.
Und in der Tat klingelt Hanna um fünf Minuten nach acht an seiner Tür. Sie spricht nicht viel, als sie die Diele betritt, aber Jan ist zufrieden.
»Gut, dass du kommst.«
»Klar.«
Jan versucht, sich zu entspannen, er bittet sie in die Küche, kocht Tee und bietet Brote an. Dann redet er ein bisschen über die Arbeit, doch irgendwann kommen sie auf das Thema, über das er in Wirklichkeit sprechen möchte: Sankt Patricia.
»Die Frauen da oben, sind die für sich allein?«
Hanna sieht ihn mit dem immer gleich ausdruckslosen Gesicht an. Die Luft in Jans Küche ist plötzlich schwer und dicht, aber es ist immer noch besser, Hanna über das Krankenhaus auszufragen als Lars Rettig.
»Ja«, sagte sie schlieÃlich, »es gibt ein paar Frauenabteilungen. Eine geschlossene und eine offene.«
»Liegen die dicht beieinander?«
»Nicht direkt Wand an Wand, aber ich glaube, sie befinden sich auf derselben Etage.«
»Und welche ist das?«
»Ich denke, die dritte. Oder die vierte? Ich war noch nie da drin.«
Jan überlegt, welche Fragen er noch stellen möchte, doch da sagt Hanna plötzlich: »Erzähl mir, wer es ist, Jan.«
»Wer was ist?«
»Die im Krankenhaus, in die du verliebt bist. Wie heiÃt sie?«
Hanna sieht ihn unverwandt an. Jan weicht ihrem Blick aus.
»Das ist etwas anderes«, erwidert er.
»Als was?«
»Als du und Ivan Rössel.«
Hanna stellt schnell die Teetasse ab und starrt ihn mit kalten blauen Augen an.
»Woher willst du wissen, wie es mit uns ist?«, fragt sie. »Du weiÃt gar nichts, nicht einmal, warum ich Kontakt zu ihm aufgenommen habe. Wie könntest du das beurteilen?«
Jan senkt den Blick. Plötzlich ist die Stimmung am Tisch eiskalt. Aber er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, dass sie sich mit Ivan Rössel im Besuchszimmer trifft.
»Ich rate nur«, versucht er sie zu beschwichtigen. »Aber du magst ihn, oder?«
Hanna starrt ihn weiterhin an.
»Man muss den Menschen hinter dem Verbrechen sehen«, antwortet sie schlieÃlich.
»Wenn du da reinschleichst und Rössel triffst, dann musst du ihn doch mögen«, meint Jan, »obwohl er ... schlimme Dinge gemacht hat, oder?«
Sie zögert mit der Antwort.
»Ich treffe ihn nicht«, sagt sie dann, »sondern wir haben durch einen Pfleger Kontakt. Ivan ist mit einem Projekt beschäftigt, um die Zeit da drinnen herumzubringen, und ich helfe ihm dabei.«
»Womit denn? Was macht er da?«
»Er schreibt. An einem Manuskript.«
»Ein Buch?«
»Eine Art Buch«, erklärt Hanna.
»Die Mörder-Memoiren?«
Hanna verzieht das Gesicht.
»Er steht nur unter Verdacht. Er hat nichts gestanden.« Sie seufzt. »Er sagt, sein Buch wird alles erklären, dann werden die Leute verstehen, dass er nichts getan hat.«
»Glaubt er das?«
»Ja, das tut er.« Hanna ereifert sich. »Es geht Ivan superschlecht, wegen all dessen, was passiert ist, die Gefahr, dass er sich selbst umbringt, ist viel gröÃer, als dass er jemand anderem etwas antut. Im Moment sind es meine Briefe, die ihn am Leben erhalten ...«
Sie verstummt, und Jan weià nicht, was er sagen soll.
»Ich muss gleich gehen.« Sie sieht auf die Uhr und dann zu Jan. »Wirst du es jetzt erzählen?«
»Was erzählen?«
»Wie sie heiÃt, die du da oben triffst.«
Jan senkt den Blick.
»Ich habe sie noch nicht getroffen«, gesteht er.
»Wie heiÃt sie denn?«, fragt Hanna.
Jan zögert. Er hat zwei Namen zur Auswahl, Rami oder Blanker, doch er wählt den weniger bekannten.
»Warte kurz«, sagt er, »ich hole nur eben was.«
Er geht ins Wohnzimmer und kommt mit den Bilderbüchern zurück. Die Prinzessin mit den hundert Händen, Die Tiermacherin, Die Hexenkrankheit und Viveca im Steinhaus. Er legt sie vor Hanna hin.
»Hast du die schon mal gesehen?«
Hanna schüttelt den Kopf.
»Die lagen in der Vorschule.« Jan blättert eines auf. »Sie sind
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