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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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vermutete sogar Misstrauen.
    Er hat sich oft gefragt, ob Sigrid etwas ahnte, ob sie erkannt hatte, wie Jan sich auf den Tag, an dem William verschwand, vorbereitet hatte.
    Zum Abschluss seines Spaziergangs wandert Jan noch zum Nordbro-Teich hinunter. Wie ein kreisrunder Topf liegt er unterhalb des Hauses der Familie, und das schwarze Wasser ist Jan vertraut. Nachts sieht es aus wie dunkles Blut.
    Fünfzehn Jahre zuvor war er auf dem Weg zum Grund des Teichs gewesen, durch wirbelnde Blasen hindurch zur großen Kälte, bis ein Nachbar sich ins Wasser gestürzt und ihn im letzten Moment herausgezogen hatte.

Die Klapse
    Als Jans Eltern ihn im Krankenhaus besuchten, hing das lange Wort Selbstmordversuch unausgesprochen und wie eine schwarze Wolke zwischen ihnen.
    Es war beinahe unmöglich zu sprechen. Jan lag unter der Decke und sah die Eltern schweigend an. Dann merkte er, dass sein kleiner Bruder nicht mitgekommen war.
    Â»Wo ist Magnus?«
    Â»Bei einem Freund«, erklärte seine Mutter und fügte schnell hinzu: »Er ... er weiß nichts.«
    Jan nickte. Sie schwiegen erneut.
    Dann sagte seine Mutter mit leiser Stimme: »Wir haben mit deinem Arzt gesprochen, Jan.«
    Sein Vater schüttelte den Kopf. »Er war kein Arzt. Er war Psychologe .«
    Sein Vater konnte Psychologen nicht ausstehen. Ein Jahr zuvor hatte er von einem Kollegen im Büro gesprochen, der eine Therapie machte, und das »tragisch« genannt.
    Jans Mutter nickte und fuhr fort: »Genau, er ist Psychologe. Auf jeden Fall hat er gesagt, dass du jetzt ein paar Wochen hierbleiben wirst. Vielleicht vier ... oder vielleicht auch etwas länger. Ist das in Ordnung, Jan?«
    Â»Klar.«
    Und dann wurde es wieder still. Plötzlich sah Jan, wie seiner Mutter Tränen über die Wangen liefen. Sie wischte sie schnell weg.
    Sein Vater fragte: »Haben sie denn mit dir auch schon gesprochen, die Psychologen?«
    Jan schüttelte den Kopf.
    Â»Das musst du auch nicht«, erklärte der Vater. »Du musst keine Fragen beantworten oder etwas erzählen.«
    Â»Ich weiß«, sagte Jan.
    Seine Mutter schnäuzte sich und versuchte ein Lächeln.
    Â»Hast du hier schon jemanden kennengelernt?«
    Jan schüttelte wieder den Kopf. Er wollte niemanden kennenlernen, er wollte einfach nur seine Ruhe.
    Danach sagte seine Mutter nicht mehr viel. Auch sein Vater brachte kein Wort mehr heraus, sondern saß nur in seinem grauen Anzug da und wippte unruhig auf dem Besucherstuhl vor und zurück. Ab und zu sah er auf die Uhr. Jan wusste, dass er viel Arbeit hatte und nach Hause wollte. Wenn er seinen Sohn ansah, war sein Blick verärgert und ungeduldig.
    Dieser Blick machte Jan nervös, er gab ihm das Gefühl, aufstehen zu wollen, alles zu vergessen und einfach nach Hause zu fahren und normal zu sein.
    Plötzlich hob seine Mutter den Kopf.
    Â»Wer spielt da?«, fragte sie.
    Auch Jan horchte. Aus dem Zimmer nebenan drang ruhige Gitarrenmusik. Er wusste, wer da spielte.
    Â»Das ist meine Nachbarin. Ein Mädchen.«
    Â»Sind hier auch Mädchen?«
    Jan nickte. »Die meisten sind Mädchen, glaube ich.«
    Sein Vater sah noch einmal auf die Uhr und erhob sich.
    Â»Sollen wir fahren?«
    Jan nickte und sah seine Mutter an. »Macht das. Ich komme schon klar.«
    Nun stand auch seine Mutter auf. Sie streckte die Hand nach seiner Wange aus, reichte aber nicht ganz hin. »Ja, das müssen wir wohl«, sagte sie. »Unsere Parkuhr läuft gleich ab.«
    Schweigend wandten sie sich zur Tür. Aber dann drehte sich seine Mutter noch einmal um.
    Â»Ach du, Jan, gestern hat jemand für dich angerufen. Ein Freund von dir.«
    Â»Ein Freund?«
    Â»Er wollte hören, wie es dir geht. Ich habe ihm diese Nummer gegeben.«
    Jan nickte nur. Ein Freund?
    Nachdem die Eltern gegangen waren, hatte er das Gefühl, wieder atmen zu können. Er stand auf und stieg langsam aus dem Bett. Dann setzte er sich an den Schreibtisch und sah aus dem Fenster. Da draußen gab es eine breite Rasenfläche und dahinter einen hohen Zaun mit Stacheldraht darauf.
    Die Klapse war kein gewöhnliches Krankenhaus, das hatte er nun begriffen.

30
    Jan ist wieder zurück in Valla und hat seine Wohnung geputzt. Er erwartet den Besuch von Hanna.
    Es war seine Idee, sich an diesem Abend zu treffen. Als er nach den freien Tagen wieder die Tagschicht in der »Lichtung« übernahm, war Hanna auch gerade

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