So bloody Far (German Edition)
hinter dem Herd bleiben würdet.“ Oder bei den Nachbarn eine Tür weiter, die die Schaben offenbar züchteten. Jedenfalls roch es aus dieser Wohnung so abscheulich, dass sich Schaben dort sicherlich wohlfühlen würden. Sich angewidert schüttelnd packte Songlian die Kletterausrüstung in seine Reisetasche und zog sich flink um. Schwarze, enge Hosen, ein schwarzer Rolli und bequeme Turnschuhe bildeten kurz darauf sein Outfit. Zum Schluss schlüpfte er noch in eine taillenkurze Lederjacke mit Nietenbesatz, griff sich die Reisetasche und sein Handy.
Wie ein normalsterblicher Bürger Russlands fuhr Songlian wenig später mit der Metro, saß neben einer alten Matushka mit Kopftuch und einem Korb voller Krimskrams, die Reisetasche zwischen seinen Füßen. In Patriarchy Prudy stieg Songlian an einer Haltestelle aus, hängte sich die Tasche über die Schulter und schaute auf die Uhr. Zweiundzwanzig Uhr sechsundvierzig zeigte sie an.
Der Nachthimmel war bewölkt und die Villa lag in Dunkelheit gehüllt vor ihm. Im Nu war er über den Zaun und verbarg sich zwischen einigen Sträuchern. Hinter einem Baum legte Songlian den Klettergurt an, hängte sich einige zusammengerollte Seile um den Hals, klippte einen Enterhaken in den Gurt und turnte geschwind wie ein Eichhörnchen den Baum hinauf. Bequem auf einem Ast sitzend knotete er den Enterhaken an eines der Seile. Danach fixierte er mehrere Sekunden lang sein Ziel an und ließ den Enterhaken an dem Seil durch die Luft kreisen, ehe er ihn warf. Sauber verkeilte sich der Haken in einem Ziergitter am Dach der Villa. Probehalber zog Songlian zweimal ruckartig an dem Seil, aber der Haken hielt. Nun verknotete er das andere Ende so straff es ging am Baum. Gleich darauf hing er gesichert am Seil, um sich lautlos und heimlich über die zahlreichen Überwachungskameras hinwegzuhangeln. Als geschmeidiger Schatten erreichte er das Dach der Villa und befreite sich rasch von dem Karabiner. Tief durchatmend wischte er sich über die Stirn. Dies war der einfache Teil gewesen. Mit einem weiteren Seil ließ er sich zu dem Fenster hinab. Zuerst öffnete er den Fensterladen und hantierte mit klopfendem Herzen eine Weile mit einem kleinen Laser und einem Saugnapf herum, wobei er zu allen ihm bekannten und jemals gehörten Gottheiten betete. Und tatsächlich hatte er Glück. Das Fenster war nicht mit einer Sicherheitsfolie oder einem Glasbruchmelder versehen. Kurz darauf war er auf dem Dachboden der Villa und legte das ausgeschnittene Stück Glas behutsam auf den Boden. Im nächsten Augenblick huschte er zur Tür, zog sie einen Spalt weit auf und lauschte. Aus der unteren Etage waren Stimmen und Gelächter zu hören, im ersten Stockwerk war dagegen alles ruhig.
Songlian rief sich den Bauplan ins Gedächtnis zurück. Es gab eine geräumige Suite in der ersten Etage, die über ein eigenes großzügiges Badezimmer verfügte. Es war wenig wahrscheinlich, dass Bhreac jemand anderem diese Räumlichkeiten zugestand, daher schlich sich Songlian nun eine Treppe tiefer und über den Flur. Die Suite war nur wenige Zimmer entfernt. Schon nach wenigen Metern roch Songlian den durchdringenden Geruch von totem Fleisch und geronnenem Blut. Er rümpfte die Nase. Es war einfach überwältigend. Gleichzeitig kroch die Angst in ihm empor. Was war in dieser Suite geschehen? Songlian hastete weiter, legte gleich darauf ein Ohr gegen die geschnitzte Holztür und versuchte irgendein Geräusch wahrzunehmen. Hinter der Tür blieb alles ruhig. Sie war auch nicht abgesperrt, als Songlian probehalber auf die Klinke drückte. Im nächsten Moment stand er in einem teuer eingerichteten Zimmer. Der hochflorige Teppich war mit Blut getränkt und mit Leichenteilen übersät. Und inmitten dieses Szenarios lag Far. Mit einem erstickten Laut warf sich Songlian neben ihm auf die Knie. Fars Kleidung bestand nur noch aus Fetzen, seine linke Gesichtshälfte und sein Nacken waren unter verkrustetem Blut verschwunden und er hatte mehrere Bisswunden an einem Arm und an der Schulter. Voller Angst tastete Songlian nach seinem Puls. Ein sanftes Schlagen gegen seine zitternden Finger ließ ihn erleichtert aufatmen, was angesichts der stinkenden Luft keine allzu gute Idee war. Ein Blick auf die schaurigen Überreste verrieten Songlian, dass mehrere Vampire im Blutrausch über eine Frau hergefallen sein mussten. Vermutlich hatte sein großherziger Geliebter ihr helfen wollen und war dadurch selber zum Opfer geworden.
„Du verdammter,
Weitere Kostenlose Bücher