So fern wie ein Traum
hielt es einfach nicht mehr aus und sprudelte eine Reihe aufgeregter Fragen hervor. »Wie in aller Welt haben Sie ihn dazu gebracht? Wie bringen Sie ihm bei, dass er Sie nicht einfach zu Tode trampelt? Haben Sie denn keine Angst? Wie lange arbeiten Sie schon mit ihm?«
Michael rollte seine schmerzenden Schultern und antwortete auf die letzte Frage. »Offenbar noch nicht lange genug. Er ist clever, aber er ist ein fürchterlicher Dickschädel.« Dann grinste er. »Sie haben mir ganz schön Angst gemacht, Mrs. Templeton. Ich dachte schon, Sie würden mir die Gerte aus der Hand reißen und über den Schädel ziehen.«
»Das hätte ich vielleicht sogar getan.« Sie streichelte das Pferd. »Ich ertrage es einfach nicht, wenn irgendwo ein Tier misshandelt wird.«
»Ich kann nicht sagen, dass es mir da anders geht. Vor einer Weile war da mal dieser Pferdetrainer in einem Film. Er hatte ein wunderbares Tier, gutmütig und sanft wie nichts. Aber der Kerl war nie zufrieden, hat immer mehr verlangt, das Pferd bis zur Erschöpfung getriezt und es nie dafür belohnt. Schlimm genug, mit ansehen zu müssen, wie er ihm das Herz und den Willen gebrochen hat, aber dann fing er auch noch an und drosch mit der Peitsche, mit den Fäusten, mit allem, was ihm in die Hände fiel, auf das Tier ein.«
Michael machte eine Pause, schob sich die Haare aus der Stirn und blinzelte gegen das Sonnenlicht. »Er hatte einen ziemlich schlechten Ruf. Niemand wollte ihn mehr anstellen oder auch nur mit ihm zusammenarbeiten. Sie alle sagten, es wäre wirklich eine Schande, denn das Pferd war wirklich außergewöhnlich gut.«
»Und warum hat niemand etwas getan?«
»Interessenkonflikte, Beziehungen – der Kerl war einfach schon zu lange im Geschäft. Ich hingegen war ziemlich neu, und Diplomatie hat mich noch nie besonders interessiert. Ich habe ihn dazu überredet, dass er mir das Tier verkauft. Und der Einsatz hat sich für mich doppelt und dreifach bezahlt gemacht.«
»Sie haben den Kerl dazu gebracht, dass er Ihnen das Tier verkauft?«
Michael sah sie an. »Mehr oder weniger freiwillig.«
»Haben Sie die Peitsche benutzt oder haben die Fäuste gereicht?«
»Für Peitschen habe ich nichts übrig. Und Max, das Pferd, das ich ihm abgekauft habe, erträgt es noch nicht mal, wenn es eine Peitsche auch nur sieht.« Ehe das Fohlen den Inhalt der Tüte genauer erforschen konnte, nahm er sie in die Hand. »Und, sind Sie heute Morgen zu einem Spaziergang unterwegs, Mrs. Templeton?«
»Das könnte ich natürlich vorgeben. Aber ich nehme an, Ihnen ist klar, dass ich mit Ihnen reden wollte.«
»Ja, allerdings hätte ich eher gedacht, dass Ihr Mann bei mir erscheint.« Und hatte sich darauf gefasst gemacht. »Allerdings müssen Sie bitte mit mir reden, während ich arbeite. Ich muss die Tiere auf die Koppel bringen«, sagte er.
»Also gut.« Zusammen verließen sie die Koppel und gingen in den Stall. »Laura hat mir erzählt, Sie geben den Mädchen Reitstunden.«
»Ich bringe ihnen nur ein paar grundlegende Dinge bei. Ich habe einige ruhige Reitponys.«
»Ich musste bereits während des Frühstücks einen ausführlichen Vortrag über Mr. Fury und seine Tiere über mich ergehen lassen«, antwortete sie. »Sie haben auf meine Enkeltöchter einen ziemlichen Eindruck gemacht. Lassen Sie mich Ihnen helfen«, bot sie an und nahm den Zügel des Tieres, das er gerade aus seiner Box führte. »Und auch auf meine Tochter haben Sie einen ziemlichen Eindruck gemacht.«
»Sie ist eine wunderbare Frau.«
»Ja, das stimmt. Und sie hat die Hölle durchgemacht. Wodurch sie in vielerlei Hinsicht an Stärke gewonnen hat. Aber sie ist sehr verletzlich, Michael, und leichter zu verwunden, als Ihnen oder ihr selbst vielleicht bewusst ist.«
»Sie wollen, dass ich Ihnen verspreche, ihr nicht weh zu tun.« Er trat einen Schritt zurück, als die Tiere an ihm vorbei auf die Koppel trotteten. »Das kann ich leider nicht.«
»Nein, das glaube ich. So weit ich mich erinnere, haben Sie schon als Junge sehr ungern irgendwelche Versprechen gegeben«, sagte sie.
»Ein Versprechen, das man nicht gibt, kann man nicht brechen«, antwortete er schlicht und kehrte in den Stall zurück.
»Sie hatten eine schwierige Kindheit«, setzte sie vorsichtig an, brach ab und zog die Brauen hoch, als sein Kopf herumfuhr.
»Ich halte nichts davon, wenn man alles, was in der Gegenwart nicht funktioniert, auf das schiebt, was in der Vergangenheit nicht funktionierte. Ich nehme an, Ihre Kindheit
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