So fern wie ein Traum
bist. Wie steht's mit der Erinnerung?«
Offenbar war ihr Blut doch noch nicht vollkommen eingedickt, denn sie spürte, wie es ihr bei diesen Worten in die Wangen schoss. »Sehr gut. Vielleicht sogar zu gut. Auf alle Fälle hätte ich niemals – ich kann einfach nicht glauben, dass ich . ..« Sie verstummte und schloss die Augen. »Du kannst mich jederzeit davon abhalten, mich vollends zur Närrin zu machen«, sagte sie.
»Ich finde das eigentlich ganz nett. Komm her.« Er zog sie an seine Brust und lehnte ihren dröhnenden Kopf an seine Schulter an. »Eiswasser«, murmelte er. »Steck den Kopf in eine Schüssel Eiswasser, sieh zu, dass du was in den Magen bekommst und dann steh den Rest ganz einfach durch.«
»Okay.« Lieber hätte sie sich für den Rest ihres Lebens einfach nicht mehr von der Stelle gerührt. »Jetzt muss ich wirklich los. Ich hätte gar nicht erst hier schlafen sollen«, sagte sie. Da ihr Gesicht an seiner Schulter lag, bemerkte sie weder seine Enttäuschung noch die Verletztheit in seinen Augen. »Was denken sie jetzt bloß alle von mir?«
»Tja.« Seine Miene war stoisch, als er sie von sich schob und auf den Weg schickte. »Dann sieh mal zu, dass du den Schaden, den der Name Templeton heute Nacht genommen hat, begrenzst.«
»Ich wollte damit nicht sagen…«
»Vergiss es.« Er würde sich von ihren Worten nicht verletzen lassen, ermahnte er sich. »Vergiss es. Warum reiten wir morgen nicht zusammen aus?«
»Morgen?« Laura presste ihre Finger gegen die Augen. Wenn sie nicht bald wieder in den Schatten käme, zerbarst sicher ihr Hirn. »Morgen gehen wir auf Schatzsuche.«
»Wenn wir morgens ausreiten, bist du rechtzeitig zurück.«
Reiten. Es war Jahre her, seit sie zum letzten Mal über die Hügel, durch den Wald geritten war. »Also gut. Sehr gern sogar. Könnten wir vielleicht gegen acht losreiten? Dann könnte ich…«
»Na klar, acht Uhr.« Er tätschelte ihr die Wange und wandte sich zum Gehen. »Und denk an das Eiswasser.«
»Bestimmt, ich…« Aber er hatte sich bereits von ihr entfernt. Ob seines plötzlichen Stimmungswandels ehrlich verblüfft, dachte sie daran, ihm nachzugehen. Dann aber, nach einem Blick auf ihre Uhr, musste sie einsehen, dass ihre Verpflichtungen ihr keine Zeit mehr ließen, das Rätsel Michael Fury näher zu ergründen.
Niemand stellte Fragen, verlangte Erklärungen oder trug auch nur die geringste Missbilligung zur Schau. Als Laura abends ihre Kinder ins Bett brachte, wurde ihr klar, dass während des gesamten Tages niemand danach gefragt hatte, wo sie die ganze Nacht gewesen war.
Oh, sie hatte deutlich Sorge und Neugier bei den anderen gespürt, aber sie hatte einfach nicht darauf reagiert. Außerdem hatte sie ihren ersten Kater überlebt, ohne dass die Welt deswegen aus dem Gleichgewicht geraten war.
Vielleicht, ja vielleicht, brauchte Laura Templeton gar nicht perfekt zu sein.
Laura sagte ihren Töchtern gute Nacht und ging in ihr eigenes Schlafzimmer, wo sie sich die Haare bürstete und ihren Lippenstift auffrischte. Ihre Eltern und die alten Freunde, die zum Essen gekommen waren, erwarteten sie schon.
Sie müsste dafür sorgen, dass es ihnen an nichts mangelte, und dass jeder sich gut unterhielt.
Und, oh, sie brauchte fünf Minuten Ruhe, dachte sie. Nur fünf Minuten, wiederholte sie, und sank auf ihr Bett. Ein paar Minuten Ruhe und sie wäre wieder ganz die Alte und stünde auch den Rest des Abends durch.
Sobald sie allerdings die Augen schloss, schlief sie auch schon wie ein Stein.
18
»Es muss etwas geschehen, Mrs. T.« Ann hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sich in dem ruhigen Wohnzimmer der Turmsuite entschlossen vor Susan aufgebaut. »Es muss etwas geschehen.«
»Also gut, Annie, nehmen Sie bitte Platz.« Sie hatten einen langen Abend hinter sich, und obgleich sie sich über das Wiedersehen mit alten Freunden durchaus gefreut hatte, hatte Susan auf ein paar ruhige Augenblicke vor dem Schlafengehen gehofft. Anns Blick jedoch bedeutete, dass ihr die Ruhe nicht vergönnt sein würde, dachte sie und fragte: »Also, was beschäftigt Sie derart?«
»Sie wissen, was mich beschäftigt, Mrs. T.« Zu aufgeregt, um Platz zu nehmen, wanderte Ann rastlos herum, zog hier die Vorhänge zurecht, stellte da zwei Kerzenständer um und klopfte dort die Kissen aus. »Sie haben selbst gesehen, wie bleich und müde Miss Laura heute war. Ganz sicher haben Sie es gesehen.«
»Ja, ich habe es gesehen. Und ich selbst habe ebenfalls nach dem
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