So fern wie ein Traum
übermäßigen Champagnergenuss gestern Abend bleich und müde ausgesehen.«
»Oh, als ob das alles wäre«, schnaubte Annie auf. »Obgleich sie früher auch nie zu viel getrunken hat.«
Vielleicht hätte sie das tun sollen, dachte Susan bei sich und stieß einen Seufzer aus. »Annie, hören Sie auf, in der Gegend herumzulaufen, und setzen Sie sich bitte endlich hin.«
»Sie hat die Nacht mit ihm verbracht. Die ganze Nacht. Da drüben in der Wohnung über dem Pferdestall.«
Da sie um ein Haar gelächelt hätte, blickte Susan eilig auf ihre Hände, als Ann sich ihr gegenüber auf die Kante eines Sessels sinken ließ. »Ja, Annie, das ist mir bewusst.«
»Tja, so kann es nicht weitergehen.« Womit, wie Annie dachte, alles gesagt war.
»Und wie wollen Sie eine erwachsene Frau davon abhalten, zu tun, was ihr gefällt? Tatsache ist, Laura fühlt sich sehr zu Michael hingezogen, vielleicht sogar mehr als das. Monatelang war sie einsam und unglücklich, und jetzt ist sie es nicht mehr, so weit ich es sehen kann.«
»Er nutzt sie aus. Er übt einen schlechten Einfluss auf sie aus. Heute Abend ist sie noch nicht einmal heruntergekommen, um ihre Gäste zu begrüßen. Das war das erste Mal, dass sie ihre Pflichten derart vernachlässigt hat.«
»Sie war einfach müde, Annie, und die Greenbelts sind meine und Tommys Freunde, auch wenn es darum gar nicht geht. Bitte machen Sie sich wegen dieser Sache nicht verrückt.«
»Sie sind Ihre Mutter, aber Sie wissen, dass ich sie ebenso liebe wie mein eigenes Kind. Als Margo Probleme hatte, haben Sie sich ebenfalls um sie gesorgt.«
»Das stimmt.« Verständnisvoll nahm Susan Annies Hand. »Sie sind unsere Kinder, so war es immer schon. Aber Kinder werden erwachsen und gehen ihre eigenen Wege, egal, ob wir uns deshalb Sorgen machen oder nicht. Auch so war es immer schon.«
»Auf Sie würde sie hören, Mrs. T. Ich habe eingehend darüber nachgedacht.« Sie fand, dass alles, was jetzt aus ihr herausplatzte, durch und durch logisch klang. »Miss Laura hat schon so lange keinen Urlaub mehr mit den Mädchen gemacht. Sie hat hart gearbeitet und kaum einen Tag frei genommen. Bald haben Ali und Kayla Osterferien. Sie könnten zusammen für eine Weile fortfahren. Sie wissen, wie sehr es den Mädchen in Disneyland gefällt. Falls Sie Laura also auf den Gedanken bringen würden, würde sie sicher mit den beiden hinfahren. Auf diese Weise hätte sie die nötige Zeit und die Distanz, um zu überdenken, was sie tut.«
»Ich glaube, Laura und die Mädchen hätten wirklich ein paar Tage Urlaub verdient, aber eine Woche in Disneyland würde ihre Gefühle für Michael sicherlich nicht ändern, Annie«, kam Susans begütigende Erwiderung.
»Im Augenblick ist sie von ihm geblendet. Wenn sie jedoch ein wenig Zeit hätte, um zur Besinnung zu kommen, würde sie den Mann als das erkennen, was er ist.«
Hilflos warf Susan die Hände in die Luft, ehe sie sie ungeduldig auf die Lehnen ihres Sessels sinken ließ. »Um Himmels willen, Annie, was ist er denn? Weshalb nur haben Sie eine solch ausgeprägte Abneigung gegen ihn?«
»Er ist ein brutaler Kerl, sonst nichts. Ein brutaler Kerl, jemand, der andere ausnutzt, und wahrscheinlich auf ihren Namen und ihren Reichtum spekuliert. Er wird ihr wehtun, aber das lasse ich nicht zu.« Sie presste die Lippen zusammen und wiederholte: »Das lasse ich nicht zu.«
Susan atmete tiefein. Allmählich war sie wirklich am Ende ihrer Geduld. »Erklären Sie mir doch bitte, was er getan hat, um bei Ihnen derart in Ungnade zu fallen, Ann.«
»Sie wissen ebenso wie ich, dass er, als er kaum älter als zwölf Jahre war, bereits hier in diesem Haus herumgeschlichen ist.«
»Er war Joshs Freund.«
»Und hat Mister Josh gestohlene Zigaretten angedreht und ihn zu allen möglichen irrsinnigen Dingen verführt.«
»Zwölfjährige Jungen haben nun mal jede Menge Unsinn im Kopf. Himmel, Annie, ich habe im Alter von vierzehn meiner besten Freundin das Rauchen beigebracht. Es ist dumm, aber so sind Kinder nun mal.«
»Und war es auch kindliche Dummheit, durch die er ins Gefängnis gekommen ist?«
»Was wollen Sie damit sagen?« Susan wurde bleich. »Michael war im Gefängnis? Woher haben Sie denn das?«
»Wenn man die Ohren offen hält, bekommt man jede Menge Dinge mit. Er wurde wegen einer Schlägerei verhaftet. In einer Bar. Oh, sie haben ihn nur über Nacht behalten, aber immerhin. Er ist jemand, der sich gern auf seine Fäuste verlässt.«
»Oh, um Himmels willen, ich
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