So fern wie ein Traum
Tanz.«
Er hatte Recht. Er hatte leider Recht. Ungeachtet ihrer Verletztheit, ungeachtet ihres Schocks, ging es darum, ihren Stolz zu wahren. Sie würde nicht zulassen, dass Candy der Triumph ihres Rückzugs zuteil wurde.
»Okay.«
Sie betrat mit ihm die Tanzfläche, als wollte sie nichts lieber, als in seinen Armen ein paar ruhige Runden zu drehen. Die Musik war sanft, eine langsame Melodie aus den Vierzigern. Sicher sollte sie romantisch sein, aber in ihren Ohren klang sie wie ein lang gezogenes Wehklagen.
»Ich kann nur für sie hoffen, dass sie ihre gierigen Wurstfinger von meinen Babys lässt«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie je irgendetwas in ihre Wurstfinger bekommen würde, wenn du es nicht wolltest«, antwortete er ihr, zog sie an seine Brust, bemerkte, dass sie genau die richtige Größe für ihn hatte, und dass ihre Schritte harmonierten, als hätten sie ihr Leben lang miteinander getanzt. »Es würde sicher nichts schaden, wenn du mich hin und wieder ansehen und vielleicht sogar ein wenig lächeln würdest«, sagte er.
»Die beiden sind nur hierher gekommen, um mir eins auszuwischen«, tobte sie. »Keiner der beiden hat auch nur für eine Sekunde an die Kinder gedacht. Sie ist selbst eine Mutter, Michael. Wie können ihr da die Kinder derart gleichgültig sein?«
»Sie ist einfach zu sehr in sich selbst verliebt. Hör auf, dir darüber Gedanken zu machen. Lächeln«, wies er sie an, während er ihr gleichzeitig leicht über die Wange strich. »Lass die Leute glauben, du dächtest nur an mich und an das, was wir nach diesem dämlichen Fest tun werden. Dann ärgern sich die beiden tot.«
Wieder hatte er Recht, sodass sie zaghaft lächelte. »Tut mir Leid, dass du ins Kreuzfeuer geraten bist.«
»Himmel, es ist nicht mehr als eine Fleischwunde.« Zum Lohn für seine Worte drang ein wenn auch kurzes, so doch ehrliches Lachen an sein Ohr.
»Du bist netter als ich dich in Erinnerung hatte, Michael. Und ich bin ein Wrack.«
»Für mich siehst du noch ziemlich ordentlich aus. Hast du immer schon getan. Jetzt haben wir's geschafft.« Er neigte den Kopf, sodass sein Gesicht an ihrer Wange und sein Mund dicht an ihren Lippen lag. »Jetzt fragen sich die Leute, wer in aller Welt ist der Kerl, an den sich Laura Templeton so voller Inbrunst schmiegt? Seit wann geht das zwischen den beiden wohl schon?«
Allmählich fragte sie sich diese Dinge selbst. »Nicht alle interessieren sich derart für mich.«
Sein Atem strich warm über ihr Ohr. »Also bitte, meine Süße. Du faszinierst sie. Die kühle, stets gefasste Laura Templeton.«
»In den letzten Monaten war ich für sie wohl eher die arme, betrogene Laura Templeton.« Ihre Stimme klang gepresst. »Die arme Laura, die von ihrem Mann mit seiner Sekretärin hintergangen worden ist. Die arme Laura, die sich nicht anmerken lassen darf, wie sehr es sie trifft, dass ihr Exmann ihre ehemalige Mitvorsitzende des Gartenbauvereins heiratet.«
»Himmel, du hast mit dieser ätzenden kleinen Rothaarigen zusammen im Sandkasten gespielt?« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin wirklich enttäuscht von dir. Aber weißt du was? Warum sorgen wir nun, da sich sowieso schon alle die Köpfe über uns zerbrechen, nicht dafür, dass sie auch noch morgen beim Brunch etwas zu reden haben?«, fragte er, während sein Mund bereits sanft über ihre Wange glitt.
Ehe sie auch nur erschrocken zusammenfahren konnte, küsste er sie bereits. Der Kuss war lang und warm. Ihr wurde schwindelig und ihre Hand auf seiner Schulter wurde starr.
Er zog den Kopf gerade so weit zurück, dass sie seine Augen sah. »Lass es uns noch mal versuchen«, bat er flüsternd. »Ich glaube, dann hast du es raus.«
Sie hätte protestiert. Sie war nicht die Art von Frau, die sich vor den Augen aller leidenschaftlich küssen ließ. Eigentlich auch nicht, wenn sie alleine war. Aber schon hatten seine Lippen wieder ihren Mund bedeckt. Innig, verführerisch und heiß. Und es war um sie geschehen.
Der reiche, männliche Geschmack, der feste und doch sanfte Druck der Lippen, der selbstbewusste Zungenschlag und die rauen Kanten seiner Zähne raubten ihr die Luft. Nie zuvor in ihrem Leben hatte man sie so geküsst, nie zuvor in ihrem Leben offenbart, welche Quelle der Freuden ihr Mund war. Überraschung und Verwunderung schnürten ihr die Kehle zu.
Und Verwunderung war es, was auch Michael empfand. Er hatte sich schon oft gefragt, wie sie schmecken, wie
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