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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Fenster, zu Eli. Eli zog sich auf das Fensterblech, nahm Håkans Hand zwischen seine, küsste sie, flüsterte: »Hallo, mein Freund.«
    Håkan nickte langsam, um zu bestätigen, dass er Eli hörte. Befreite seine Hand aus Elis, strich Eli über die Wange. Die Haut war wie gefrorene Seide unter seiner Hand.
    Alles kehrte zurück.
    Er würde nicht umringt von sinnlosen Buchstaben in irgendeiner Gefängniszelle verrotten. Nicht von den Mithäftlingen schikaniert werden, weil er in ihren Augen das schrecklichste aller Verbrechen begangen hatte. Er würde bei Eli sein. Er würde …
    Eli lehnte sich zusammengekauert auf dem Fensterblech ganz nah zu ihm heran.
    »Was willst du, was soll ich tun?«
    Håkan nahm seine Hand von Elis Wange und zeigte auf seinen Hals.
    Eli schüttelte den Kopf.
    »Dann muss ich … dich töten. Nachher.«
    Håkan nahm die Hand vom Hals, führte sie zu Elis Gesicht. Legte den Zeigefinger einen Augenblick auf Elis Lippen. Zog ihn anschließend zurück.
    Zeigte von Neuem auf seinen Hals.
    *
    Der Atem quoll in weißen Wolken aus seinem Mund, aber ihm war nicht kalt. Nach zehn Minuten erreichte Oskar das Geschäft. Der Mond hatte ihn von Papas Haus bis hierher begleitet, hinter den Tannenwipfeln Verstecken gespielt. Oskar sah auf die Uhr. Halb elf. Er hatte auf dem Fahrplan im Flur gesehen, dass der letzte Bus von Norrtälje nach Stockholm um halb eins ging.
    Er überquerte den offenen Platz vor dem Geschäft, der von den Lampen der Tanksäulen erhellt wurde, trat auf den Kappellskärsvägen hinaus. Er war noch nie getrampt, und Mama würde durchdrehen, wenn sie davon erfuhr. In fremder Leute Autos einsteigen …
    Er ging schneller, ließ einige hell erleuchtete Häuser hinter sich. In ihnen saßen Menschen und hatten es gut. Kinder schliefen in ihren Betten, ohne sich zu sorgen, ihre Eltern könnten hereinkommen und sie wecken, um Unsinn zu reden.
    Das hier ist Papas Schuld, nicht meine.
    Er schaute auf die Stiefel hinab, die er noch immer in der Hand hielt, warf sie in den Straßengraben, blieb stehen. Da lagen die Stiefel; im Mondlicht waren sie zwei dunkle Fladen im Schnee.
    Mama wird mich nie mehr zu ihm hinausfahren lassen.
    Papa würde in vielleicht … einer Stunde entdecken, dass er fort war. Daraufhin würde er aus dem Haus gehen und suchen, nach ihm rufen und anschließend Mama anrufen. Würde er das tun? Vermutlich. Um zu hören, ob Oskar angerufen hatte. Mama würde hören, dass Papa betrunken war, wenn er erzählte, dass Oskar verschwunden war, und es würde …
    Moment. Wie wäre es damit.
    Sobald er Norrtälje erreichte, würde er Papa aus einer Telefonzelle anrufen und ihm sagen, dass er nach Stockholm fahren, bei einem Freund übernachten und dann morgen zu Mama nach Hause kommen und so tun würde, als wäre nichts geschehen.
    Dann hätte er Papa eine Lektion erteilt, ohne dass dies gleich zu einer Katastrophe führte.
    Gut. Und dann …
    Oskar stieg in den Straßengraben hinab, hob die Stiefel wieder auf, stopfte sie in die Jackentasche, ging weiter die Landstraße hinab. Jetzt lief es gut. Jetzt entschied Oskar, wohin er ging, und der Mond blickte freundlich auf ihn herab, beleuchtete seine Schritte. Er hob die Hand zum Gruß und begann zu singen.
    »Hier kommt Fritiof Andersson, es schneit auf seinen Hut …«
    Dann konnte er den Text nicht weiter, weshalb er das Lied weitersummte.
    Nach ein paar hundert Metern näherte sich ein Auto. Er hörte es schon, als es noch weit entfernt war, blieb stehen und streckte den Daumen aus. Das Auto fuhr an ihm vorbei, hielt an, setzte zurück. Die Tür wurde auf der Beifahrerseite geöffnet; in dem Auto saß eine Frau, die etwas jünger war als Mama. Niemand, vor dem man Angst haben musste.
    »Hallo. Wo soll’s denn hingehen?«
    »Nach Stockholm. Oder Norrtälje.«
    »Ich will nach Norrtälje, also …« Oskar lehnte sich in den Wagen hinein. »Oh. Wissen deine Mama und dein Papa, dass du hier bist?«
    »Ja klar. Aber Papas Auto ist kaputt und … tja.«
    Die Frau sah ihn an, schien nachzudenken.
    »Na schön, dann steig mal ein.«
    »Danke.«
    Oskar glitt auf den Beifahrersitz, schloss die Tür hinter sich. Sie fuhren los.
    »Dann willst du wohl zur Bushaltestelle?«
    »Ja, vielen Dank.«
    Oskar setzte sich bequemer hin, genoss die Wärme, die allmählich in seinem Körper aufstieg, vor allem am Rücken. Das musste einer von diesen elektrischen Sitzen sein. Unglaublich, dass es so einfach war. Beleuchtete Häuser sausten vorbei.
    Bleibt ihr

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