So finster die Nacht
nur sitzen.
Es geht mit Gesang, es geht mit Spiel nach Spanien und … woanders hin.
»Wohnst du in Stockholm?«
»Ja. In Blackeberg.«
»Blackeberg … das ist westlich raus, nicht wahr?«
»Ich glaub schon. Es heißt immer westliche Vororte, also stimmt das wohl.«
»Aha. Wartet zu Hause etwas Wichtiges auf dich?«
»Ja.«
»Es muss schon etwas ganz Besonderes sein, wenn du dich so auf den Weg machst.«
»Ja. Das ist es.«
*
Es war kalt im Zimmer. Seine Glieder waren ganz steif, nachdem er so lange in unbequemer Körperhaltung geschlafen hatte. Der Wächter streckte sich mit knackenden Gelenken, warf einen Blick auf das Krankenhausbett, war auf einen Schlag hellwach.
Fort … die Kälte … verdammt!
Wankend kam er auf die Beine, schaute sich um. Gott sei Dank. Der Mann war nicht ausgebrochen. Aber wie zum Teufel hatte er es bis zum Fenster geschafft? Und …
Was ist denn das?
Der Mörder stand gegen die Fensterbank gelehnt und hatte ein schwarzes Bündel auf der Schulter. Sein nackter Po lugte unter dem Krankenhauskittel hervor. Der Wächter machte einen Schritt auf das Fenster zu, blieb stehen, stöhnte auf.
Das Bündel war ein Kopf. Ein Paar dunkler Augen begegnete seinen. Er tastete suchend nach seiner Dienstwaffe, bis ihm wieder einfiel, dass er gar keine hatte. Aus Sicherheitsgründen. Die Waffe befand sich in einem Safe im Korridor. Außerdem; es war doch nur ein Kind, wie er jetzt sah.
»Hallo! Keine Bewegung!«
Er lief die drei Schritte zum Fenster, und der Kopf des Kindes hob sich vom Hals des Mannes.
Als der Polizeibeamte das Fenster erreichte, machte das Kind im gleichen Moment einen Sprung vom Fensterbrett und verschwand nach oben. Seine Füße baumelten noch einen Moment am oberen Rand des Fensters, ehe sie verschwanden.
Die Füße waren nackt.
Der Wächter steckte den Kopf zum Fenster hinaus, sah gerade noch einen Körper aufs Dach und aus seinem Blickfeld verschwinden. Der Mann an seiner Seite röchelte.
Oh, mein Gott.
Schulter und Rücken des Kittels waren in dem schwachen Licht schwarz gefleckt. Der Kopf des Mannes hing herab, und an seinem Hals glänzte eine frische Wunde. Vom Dach hörte man leichte Klopflaute von jemandem, der sich über die Dachbleche bewegte. Er war wie gelähmt.
Vorrang. Was hat hier Vorrang?
Er erinnerte sich nicht mehr. Zuallererst lebensrettende Maßnahmen einleiten. Ja. Aber das konnten andere besser … er lief zur Tür, tippte die Zahlenkombination ein und schlitterte in den Korridor hinaus, rief:
»Schwester! Schwester! Kommen Sie! Das ist ein Notfall!«
Er lief zur Feuertreppe, während die Nachtschwester aus dem Schwesternzimmer kam, im Laufschritt zu dem Zimmer eilte, das er gerade verlassen hatte. Als sie einander begegneten, fragte sie: »Was ist los?«
»Notfall. Es ist … ein Notfall. Holen Sie Leute, es ist … Mord.«
Er fand einfach nicht die richtigen Worte. Etwas Vergleichbares hatte er noch nie erlebt. Gerade weil er so unerfahren war, hatte man ihm diesen tristen Wachposten zugeteilt. Er war sozusagen entbehrlich. Während er zur Treppe lief, zog er sein Funkgerät heraus, alarmierte die Zentrale, bat um Verstärkung.
Die Krankenschwester versuchte, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen; ein Körper, der in einer Blutlache auf dem Boden lag, der an einem Laken von einer Heißwasserleitung herabhing. Beides hatte sie bereits gesehen.
Als sie das Zimmer betrat, sah sie nur ein leeres Bett. Und etwas am Fenster. Erst dachte sie, es wäre ein Kleiderbündel, das auf dem Fensterbrett abgelegt worden war. Dann aber sah sie, dass es sich bewegte.
Sie rannte zum Fenster, um es noch zu verhindern, aber der Mann war bereits zu weit gekommen. Er war schon auf dem Fensterbrett, halb aus dem Fenster, als sie loslief. Sie kam noch rechtzeitig hinzu, um einen Zipfel des Krankenhauskittels zu erhaschen, ehe der Körper des Mannes sich hinauswälzte, der Infusionsschlauch aus seinem Arm gerissen wurde. Ein Ratschen, dann blieb sie mit einem Stück blauen Stoffs in der Hand zurück. Zwei Sekunden später hörte sie entfernt einen dumpfen Knall, als der Körper auf dem Erdboden aufschlug, danach das Piepen des Alarms vom Infusionsständer.
Der Taxifahrer fuhr vor dem Eingang der Ambulanz an den Straßenrand. Der ältere Mann auf dem Rücksitz, der ihn während der ganzen Fahrt von Jakobsberg mit der Geschichte seiner Herzbeschwerden unterhalten hatte, öffnete die Autotür und blieb auffordernd sitzen.
Okay, okay.
Der Fahrer
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