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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Einen Stift? Einen Ballon?
    Das Kind stellte sich vor den Schalter. Nur Hals und Kopf reichten über den Rand.
    »Entschuldigung, aber … ich suche nach meinem Papa.«
    »Aha. Liegt er hier im Krankenhaus?«
    »Ja, ich weiß nur nicht genau …«
    Maud schaute zu den Türen, ließ den Blick über die Eingangshalle schweifen und auf dem Kind vor ihr verweilen, das nicht einmal eine Jacke trug, nur einen schwarzen Rollkragenpullover aus Strickwolle, auf dem Wassertropfen und Schneeflocken im Licht des Empfangsschalters glitzerten.
    »Bist du ganz allein, meine Kleine? Um diese Uhrzeit?«
    »Ja, ich … wollte nur wissen, ob er hier ist.«
    »Dann wollen wir mal sehen. Wie heißt er?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht?«
    Das Kind senkte den Kopf, schien auf dem Fußboden nach etwas zu suchen. Als sich sein Kopf wieder hob, glänzten die großen schwarzen Augen, und die Unterlippe zitterte.
    »Nein, er … Aber er ist hier.«
    »Aber liebe Kleine …«
    Maud spürte, dass in ihrem Inneren etwas zu zerbrechen drohte, und suchte Schutz in einer Handlung; sie bückte sich und holte die Rolle Küchenpapier aus der untersten Schreibtischschublade, riss ein Blatt ab und reichte es dem Mädchen. Endlich durfte sie ihm etwas geben, wenn es auch nur ein Stück Papier war.
    Das Mädchen schnäuzte sich und tupfte sich auf sehr … erwachsene Art die Tränen aus den Augen.
    »Danke.«
    »Aber dann weiß ich wirklich nicht … was hat er denn?«
    »Er ist … die Polizei hat ihn mitgenommen.«
    »Aber dann ist es doch vielleicht besser, wenn du zur Polizei gehst.«
    »Ja, aber sie haben ihn hierher gebracht. Weil er krank ist.«
    »Und was für eine Krankheit hat er?«
    »Er … ich weiß nur, dass die Polizei ihn hierher gebracht hat. Wo ist er dann wohl?«
    »Vermutlich in der obersten Etage, aber da darf man nicht hin, ohne es vorher mit der Polizei abgesprochen zu haben.«
    »Ich wollte nur wissen, wo sein Fenster ist, denn dann könnte ich … ich weiß nicht.«
    Das Mädchen begann wieder zu weinen. Mauds Kehle schnürte sich zusammen, dass es wehtat. Das Mädchen wollte es also wissen, damit es vor dem Krankenhaus im Schnee stehen … und zum Fenster seines Papas hinaufschauen konnte. Maud schluckte.
    »Aber ich könnte anrufen, wenn du möchtest. Ich bin sicher, du kannst …«
    »Nein. Schon gut. Jetzt weiß ich ja Bescheid. Jetzt kann ich … danke. Danke.«
    Das Mädchen wandte sich ab, ging zur Drehtür.
    Oh, mein Gott, all diese kaputten Familien.
    Das Mädchen verschwand durch die Tür, und Maud blieb zurück und starrte auf den Punkt, an dem das Mädchen verschwunden war.
    Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Maud rief sich ins Gedächtnis, wie das Mädchen ausgesehen, wie es sich bewegt hatte. Da war etwas gewesen, das nicht passte, etwas, das man … Maud benötigte eine halbe Minute, um darauf zu kommen, was es war. Das Mädchen hatte keine Schuhe getragen.
    Maud schoss aus der Kabine der Information und lief zu den Türen. Sie durfte ihren Schalter nur unter ganz bestimmten Umständen unbewacht allein lassen, entschied jedoch, dass dies ein solcher Fall war. Sie trippelte gereizt durch die Drehtür, nun mach schon, mach schon, und eilte auf den Parkplatz hinaus. Das Mädchen war nirgendwo zu sehen. Was sollte sie tun? Das Sozialamt musste doch verständigt werden; man hatte sich nicht vergewissert, dass es jemanden gab, der sich um das Mädchen kümmerte, das war die einzig mögliche Erklärung. Wer war ihr Vater?
    Maud sah sich auf dem Parkplatz um, konnte das Mädchen jedoch nirgends entdecken. Sie lief ein Stück am Krankenhaus vorbei, Richtung U-Bahn. Kein Mädchen. Auf dem Rückweg zur Information versuchte sie zu entscheiden, wen sie anrufen, was sie tun sollte.
    *
    Oskar lag in seinem Bett und wartete auf den Werwolf. In seiner Brust brodelte es; vor Wut, vor Verzweiflung. Aus dem Wohnzimmer drangen die lauten Stimmen Papas und Jannes zu ihm herein, vermischt mit Musik aus dem Kassettenrekorder. Die Djup-Brüder. Oskar konnte zwar die einzelnen Worte nicht verstehen, kannte das Lied jedoch auswendig.
    »Wir wohnen auf dem Land und haben bald was gefunden
    Wir brauchten was im Stall
    Wir verkauften den Wein und kauften das Schwein …«
    Woraufhin die ganze Gruppe anfing, verschiedene Tiere auf dem Bauernhof zu imitieren. Normalerweise fand er die Djup-Brüder lustig. Jetzt hasste er sie. Weil sie mitmachten. Papa und Janne ihr idiotisches Lied vorsangen, während die beiden allmählich betrunken

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