So finster die Nacht
Wiese es geht
neunzehn wird sie schon bald dieses Jahr
und sie lächelt ganz still, das ist wahr
Eli kam ins Wohnzimmer. Sie hatte sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen, in der Hand hielt sie die Plastiktüte mit den Kleidern. Das Gesicht war jetzt sauber, und die nassen Haare lagen in Strähnen auf Wangen und Ohren. Oskar verschränkte neben dem Plattenspieler stehend die Arme vor der Brust und nickte ihr zu.
Warum lächelst du, fragt der Junge sie
Als er am Tor sie ganz zufällig sieht
Nun, ich denke an ihn, den ich begehr’
An ihn, den ich liebe so …
»Oskar?«
»Ja?« Er stellte leiser, nickte zum Plattenspieler hin. »Albern, nicht?«
Eli schüttelte den Kopf. »Nein, das ist toll. Es gefällt mir.«
»Wirklich?«
»Ja. Aber du …« Eli schien noch etwas sagen zu wollen, meinte dann jedoch nur »ach was« und löste das Handtuch, das sie sich um die Taille geknotet hatte. Es fiel zu ihren Füßen auf den Fußboden und sie stand nur wenige Schritte entfernt nackt vor Oskar. Eli zeigte mit einer schweifenden Handbewegung auf ihren schmächtigen Körper, sagte: »Jetzt weißt du’s.«
… hinunter zum See, wo sie zeichnen im Sand
Still sagen beide zueinand;
Du bist mein Freund, dich will ich haben
La-lala-lalala …
Es folgte ein kurzer instrumentaler Abschnitt, und das Lied war vorbei. Ein leichtes Kratzen aus den Boxen, während die Nadel sich zum nächsten Lied bewegte, während Oskar Eli betrachtete.
Die kleinen Brustwarzen sahen beinahe schwarz aus auf ihrer bleichen Haut. Der Oberkörper war schlank, flach, ohne Konturen. Nur die Form der Rippen zeichnete sich deutlich im grellen Licht der Deckenlampe ab. Die dünnen Arme und Beine wirkten im Verhältnis zum Rumpf unnatürlich lang; ein junger Baum, überzogen von menschlicher Haut. Zwischen den Beinen hatte Eli … nichts. Keine Ritze, keinen Penis. Nur eine glatte Fläche aus Haut.
Oskar strich sich mit der Hand durchs Haar, ließ sie im Nacken liegen. Er wollte dieses alberne Mama-Wort nicht sagen, aber es rutschte ihm trotzdem heraus.
»Du hast ja … gar keinen Strulli.«
Eli senkte den Kopf, schaute zu ihrem Unterleib hinab, als wäre dies eine völlig neue Entdeckung für sie. Das nächste Lied begann, und Oskar hörte nicht, was Eli erwiderte. Er legte den Hebel um, der den Tonarm von der Schallplatte hob.
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass ich früher einen hatte.«
»Und was ist mit ihm passiert?«
Eli lachte auf, und Oskar hörte selber, wie die Frage klang, und errötete ein wenig. Eli breitete die Arme aus und schob die Unterlippe über die Oberlippe.
»Hab ihn in der U-Bahn vergessen.«
»Ach quatsch, du bist albern.«
Ohne Eli anzusehen, ging Oskar an ihm vorbei zum Badezimmer, um sich zu vergewissern, dass es dort keine Spuren gab.
Warmer Dampf hing in der Luft, der Spiegel war beschlagen. Die Badewanne war so weiß wie zuvor, nur ein schwacher gelber Rand aus altem Schmutz, der niemals wegging, unterhalb des Rands. Das Waschbecken war sauber.
Es ist nicht passiert.
Eli war nur ins Badezimmer gegangen, um den Schein zu wahren, hatte die Illusion fallen lassen. Aber, nein: die Seife. Er hob sie an. Das Seifestück war hellrosa gestreift, und in der kleinen Vertiefung im Waschbecken darunter, in der Wasserpfütze, lag ein Klumpen von etwas, das aussah wie eine Kaulquappe, ja: lebendig, und er zuckte zusammen, als es anfing zu –
schwimmen
– mit dem Schwanz zu schlagen und sich zum Abfluss der Vertiefung zu robben, ins Waschbecken zu rinnen, und an der Kante hängen blieb. Aber dort rührte es sich nicht, war doch nicht lebendig. Er ließ Wasser aus dem Hahn laufen und spritzte den Klumpen so an, dass er in den Abfluss lief, spülte die Seife ab und wischte die Vertiefung aus. Daraufhin nahm er seinen Bademantel vom Haken, ging ins Wohnzimmer zurück und reichte ihn Eli, der immer noch nackt im Zimmer stand, sich umschaute.
»Danke. Wann kommt deine Mutter?«
»In ein paar Stunden.« Oskar hielt die Tüte mit den Kleidern hoch. »Soll ich die wegwerfen?«
Eli streifte sich den Bademantel über, zog den Gürtel zu.
»Nein. Die nehme ich mit.« Sie berührte Oskars Schulter. »Du? Du begreifst doch, dass ich kein Mädchen bin, dass ich nicht …«
Oskar entfernte sich einen Schritt von ihm.
»Mein Gott, du laberst vielleicht! Das weiß ich doch. Das hast du mir doch schon gesagt!«
»Das habe ich nicht.«
»Und ob du das hast.«
»Wann denn?«
Oskar dachte nach.
»Das weiß ich
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