So finster die Nacht
Und Oskar begreift.
Er weiß darüber hinaus, wenn er nur dieses Tauende aus seinem Mund herausbekommt, muss er nicht hier sein. Dann verschwindet er.
Oskar versuchte seinen Kopf nach hinten zu werfen, den Kuss zu verlassen. Aber Eli, der seine Reaktion vorhergesehen hatte, wölbte eine Hand um seinen Hinterkopf, presste Oskars Lippen auf die eigenen, zwang ihn, in Elis Erinnerungen zu verharren, machte weiter.
Das Tauende wird in seinen Mund gepresst, und ein säuselnder Laut ertönt, als Oskar vor Angst einen fahren lässt. Der Perückenmann rümpft die Nase und schnalzt tadelnd. Seine Augen verändern sich nicht. Auf seinem Gesicht liegt immer die gleiche Miene wie bei einem Kind, das dabei ist, einen Karton zu öffnen, wohlwissend, dass sich darin ein kleiner Welpe befindet.
Kalte Finger packen Oskars Glied, ziehen es in die Länge. Er öffnet den Mund, um »Nein!« zu schreien, doch das Tau macht es ihm unmöglich, das Wort zu artikulieren und es dringt nicht mehr heraus als »äääää!«.
Der Mann unter dem Tisch fragt etwas, und der Perückenmann nickt, ohne Oskar aus den Augen zu lassen. Dann der Schmerz. Ein glühender Pfahl wird in seinen Unterleib getrieben, gleitet durch Hauch, Brust immer weiter hinauf, dabei ein Rohr aus Feuer ätzend, das sich durch seinen Körper bewegt, und er schreit, schreit, während sich seine Augen mit Tränen füllen und sein Körper brennt.
Das Herz hämmert gegen den Tisch wie eine Faust gegen eine Pforte, und er kneift die Augen zusammen, er beißt in das Tau, während er in weiter Ferne ein Plätschern, Rieseln hört, er sieht …
… seine Mutter auf Knien am Bach, Kleider waschend. Mama. Mama. Sie verliert etwas, ein Stück Stoff, und Oskar steht auf, er hat auf dem Bauch gelegen, und sein Körper brennt, er steht auf, läuft zum Bach, zu dem rasch abtreibenden kleinen Stoffstück, er wirft sich in den Bach, um seinen Körper zu löschen, um das Stoffstück zu retten, und bekommt es zufassen. Ein Hemd seiner Schwester. Er hält es gegen das Licht, zu seiner Mutter hin, die sich ab Silhouette am Ufer abzeichnet, und Tropfen fallen aus dem Stoff glitzern in der Sonne, fallen plätschernd in den Bach, in seine Augen, und er kann nicht deutlich sehen wegen des Wassers, das ihm in die Augen läuft, über seine Wangen, als er …
… die Augen öffnet und verschwommen das blonde Haar, die blauen Augen sieht wie ferne Waldseen. Er sieht die Schale, die der Mann in seinen Händen hält, die Schale, die zum Mund geführt wird, und wie er trinkt. Wie der Mann die Augen schließt, sie endlich schließt und trinkt …
Mehr Zeit … Unendlich viel Zeit. Eingesperrt. Der Mann beißt. Und trinkt. Beißt. Und trinkt.
Dann erreicht der glühende Pfahl seinen Kopf, und alles wird hellrot, als er seinen Kopf nach hinten wirft, fort von dem Tau, und fällt.
Eli fing Oskar auf, als er sich von den Lippen löste und nach hinten fiel. Hielt ihn in den Armen. Oskar griff nach dem, wonach er greifen konnte, dem Körper vor ihm, und klammerte sich an ihn, sah sich blind im Zimmer um.
Ganz ruhig.
Nach einer Weile tauchte allmählich ein Muster vor Oskars Augen auf. Eine Tapete. Beige mit weißen, fast unsichtbaren Rosen. Er erkannte sie. Es war die Tapete in ihrem Wohnzimmer. Er war im Wohnzimmer in Mamas und seiner Wohnung.
Das in seinen Armen war … Eli.
Ein Junge. Mein Freund. Ja.
Oskar war schlecht, ihm war schwindlig. Er befreite sich aus der Umarmung, setzte sich auf die Couch und sah sich um, als wollte er sich vergewissern, dass er zurück war, dass er nicht mehr … dort war. Er schluckte, merkte, dass er sich jedes einzelne Detail an dem Ort, den er soeben besucht hatte, vergegenwärtigen konnte. Das Ganze war wie eine wirkliche Erinnerung. Etwas, das ihm erst kürzlich widerfahren war. Der komische Mann, die Schale, der Schmerz …
Eli kniete vor ihm auf dem Fußboden, die Hände auf den Bauch gepresst.
»Entschuldige.«
Genau wie …
»Was ist mit Mama passiert?«
Eli sah ihn unsicher an, fragte:
»Meinst du mit … meiner Mama?«
»Nein …« Oskar verstummte, hatte das Bild von Mama am Bach vor Augen, als sie Kleider wusch. Aber es war gar nicht seine Mutter. Sie waren sich überhaupt nicht ähnlich. Er rieb sich die Augen, sagte:
»Ja genau. Mit deiner Mama.«
»Ich weiß es nicht.«
»Die haben sie doch wohl nicht …«
»Ich weiß es nicht!«
Elis Hände ballten sich auf dem Bauch so fest, dass die Knöchel weiß wurden, er zog die
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