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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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nicht mehr, aber ich wusste es jedenfalls. Habe es längst gewusst.«
    »Bist du jetzt … traurig?«
    »Warum sollte ich traurig sein?«
    »Weil … ich weiß nicht. Weil du es … irgendwie schwierig findest. Deine Kumpel …«
    »Hör auf! Hör auf. Du hast sie doch nicht mehr alle. Hör auf.«
    »Okay.«
    Eli zupfte am Gürtel des Bademantels, ging dann zum Plattenspieler und betrachtete die sich drehende Schallplatte, wandte sich um, schaute sich im Zimmer um.
    »Weißt du, es ist lange her, dass ich … einfach so bei jemandem zu Hause war. Ich weiß nicht recht … Was soll ich tun?«
    »Woher soll ich das denn wissen?«
    Eli ließ die Schultern sinken, vergrub die Hände in den Taschen des Bademantels, schaute wie hypnotisiert auf das dunkle Loch in der Schallplatte. Öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder. Sie hob die rechte Hand aus der Tasche, streckte sie zur Platte aus und presste ihren Zeigefinger darauf, sodass sie stoppte.
    »Vorsichtig. Davon kann er … kaputtgehen.«
    »Entschuldige.«
    Eli zog hastig den Finger zurück, und die Platte setzte sich wieder in Bewegung, drehte sich weiter. Oskar sah, dass der Finger einen feuchten Fleck hinterlassen hatte, der jedes Mal von Neuem sichtbar wurde, wenn die Stelle auf der Platte in den Lichtkegel der Deckenlampe kam. Eli schob die Hand in die Bademanteltasche zurück, betrachtete die Platte, als versuche er, der Musik zu lauschen, indem er die Rillen studierte.
    »Das klingt jetzt … aber …«, es zuckte in Elis Mundwinkel, »… ich habe seit zweihundert Jahren keinen … normalen Freund mehr gehabt.«
    Er sah Oskar mit einem Entschuldige-dass-ich-so-alberne-Sachen-sage-Lächeln an. Oskar riss die Augen auf.
    »Bist du so alt?«
    »Ja. Nein. Ich wurde vor ungefähr zweihundertzwanzig Jahren geboren, aber die Hälfte der Zeit habe ich geschlafen.«
    »Das tue ich doch auch. Oder jedenfalls … acht Stunden … das macht … ein Drittel.«
    »Ja. Obwohl … wenn ich schlafen sage, meine ich mehrere Monate, in denen ich … überhaupt nicht aufstehe. Und dann wieder ein paar Monate, in denen ich … lebe. Allerdings ruhe ich dann tagsüber.«
    »So funktioniert das?«
    »Ich weiß es nicht. So ist es jedenfalls bei mir. Und wenn ich dann wach werde, bin ich … wieder klein. Und schwach. Dann brauche ich Hilfe. Vielleicht habe ich deshalb überlebt. Weil ich klein bin. Und die Menschen mir helfen wollen. Wenn auch aus … sehr unterschiedlichen Gründen.«
    Ein Schatten flog über Elis Wange, als er die Zähne zusammenbiss, die Hände tiefer in den Bademanteltaschen vergrub, dort etwas fand und es herauszog. Ein dünner, glänzender Streifen Papier. Etwas, das Mama vergessen hatte; sie benutzte gelegentlich Oskars Bademantel. Eli legte den Streifen vorsichtig in die Tasche zurück, so als wäre er wertvoll.
    »Schläfst du denn in einem Sarg?«
    Eli lachte auf, schüttelte den Kopf.
    »Nein. Nein. Ich …«
    Oskar konnte nicht länger den Mantel des Schweigens darüber breiten. Es war gar nicht seine Absicht, aber es klang wie eine Anklage, als er sagte: »Aber du tötest Menschen!«
    Eli sah ihm mit einem Gesichtsausdruck in die Augen, der Erstaunen auszudrücken schien, so als hätte Oskar mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass er fünf Finger an jeder Hand hatte, oder etwas ähnlich Selbstverständliches gesagt.
    »Ja. Ich töte Menschen. Das ist bedauerlich.«
    »Warum tust du es dann?«
    In Elis Augen blitzte Wut auf.
    »Wenn du eine bessere Idee hast, bin ich ganz Ohr.«
    »Ja, was denn … Blut … es muss doch möglich sein, dass … irgendwie … dass du …«
    »Das ist es nicht.«
    »Und warum nicht?«
    Eli schnaubte, die Augen verengten sich.
    »Weil ich so bin wie du.«
    »Wie meinst du das, wie ich? Ich …«
    Eli machte eine ausholende Bewegung, als hielte er ein Messer in der Hand, sagte:
    »Was glotzt du denn so, du verdammter Idiot. Willst du sterben, oder was?« Stach mit der leeren Hand zu. »So ergeht es einem, wenn man mich anglotzt.«
    Oskar rieb Ober- und Unterlippe aneinander, befeuchtete sie.
    »Was sagst du da?«
    »Ich habe das nicht gesagt. Du hast es gesagt. Es war das Erste, was ich dich sagen gehört habe. Auf dem Spielplatz.«
    Oskar erinnerte sich, an den Baum, das Messer und daran, dass er die Klinge danach wie einen Spiegel angewinkelt und Eli zum ersten Mal gesehen hatte.
    Man kann dich in Spiegeln sehen? Ich habe dich zum ersten Mal in einem Spiegel gesehen.
    »Ich … töte keine

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