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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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zu sehen … ja … sah klar und deutlich, dass sich die Menschenreste auf dem Boden zwischen den einzelnen Schlägen … bewegten.
    Sich aufzurichten versuchten.
    *
    Morgan rauchte wie ein Schlot; als er seine Kippe in das Blumenbeet vor dem Eingang des Krankenhauses schnippte, hatte Larry seine Zigarette erst halb aufgeraucht. Morgan vergrub die Hände in den Taschen, ging auf dem Parkplatz auf und ab, fluchte, als Schneematsch durch das Loch in seiner Sohle eindrang und sein Strumpf nass wurde.
    »Larry. Hast du Kohle?«
    »Du weißt doch, dass ich von Invalidenrente lebe und …«
    »Ja, ich weiß. Aber hast du Kohle?«
    »Warum fragst du? Ich verleihe nichts, wenn es …«
    »Nein, nein, nein. Aber ich habe überlegt: Lacke. Ob wir ihn nicht einladen sollten … du weißt schon.«
    Larry hustete, betrachtete vorwurfsvoll seine Zigarette.
    »Wie jetzt … damit er sich besser fühlt?«
    »Ja.«
    »Nein … ich weiß nicht.«
    »Was soll das heißen? Weil du nicht glaubst, dass es ihm dann besser geht, oder weil du kein Geld hast oder weil du zu geizig bist, etwas vorzustrecken?«
    Larry seufzte, zog nochmals hustend an seiner Zigarette, verzog das Gesicht zu einer Grimasse und trat die Kippe mit dem Fuß aus. Anschließend hob er sie auf, legte sie in einen sandgefüllten Topf, sah auf die Uhr. »Morgan … es ist erst halb neun.«
    »Ja, ja. Aber in ein paar Stunden. Wenn der Alkoholladen öffnet.«
    »Mal sehen.«
    »Also hast du Kohle.«
    »Sollen wir jetzt reingehen?«
    Sie betraten durch die Drehtür das Krankenhaus. Morgan strich sich mit den Händen durchs Haar und ging zu der Frau an der Information, um sich zu erkundigen, wo Virginia lag, während Larry einige Zierfische beobachtete, die sich schläfrig in einem großen, blubbernden Zylinder bewegten.
    Eine Minute später kehrte Morgan zurück, strich sich über seine Lederweste, als wollte er etwas abstreifen, was an ihm klebte, sagte: »Bescheuerte Kuh. Sie wollte mir nichts sagen.«
    »Sie ist bestimmt auf der Intensivstation.«
    »Kann man da rein?«
    »Manchmal.«
    »Du scheinst ja Erfahrung zu haben.«
    »Die habe ich.«
    Sie gingen Richtung Intensivabteilung. Larry kannte den Weg.
    Viele von Larrys »Bekannten« lagen im Krankenhaus oder hatten darin gelegen. Im Moment waren es auch ohne Virginia allein in diesem Krankenhaus zwei. Morgan hegte den Verdacht, dass Leute, die Larry nur flüchtig begegnet waren, erst zu Bekannten oder sogar Freunden wurden, sobald sie ins Krankenhaus mussten. Dann spürte Larry sie auf, ging sie besuchen.
    Warum er das tat, tja, das wollte Morgan gerade fragen, als sie die Schwingtüren zur Intensivabteilung erreichten, aufdrückten und am hinteren Ende des Flurs Lacke entdeckten. Er saß nur mit einer Unterhose bekleidet auf einem Lehnstuhl. Seine Hände umklammerten die Armlehnen, während er auf einen Raum vor sich starrte, in dem gehetzt Menschen ein und aus gingen.
    Morgan schnüffelte. »Scheiße, haben die hier jemand verbrannt, oder was ist los?« Er lachte auf. »Diese verdammten Konservativen. Eine Sparmaßnahme, weißt du. Die überlassen es mittlerweile den Krankenhäusern …«
    Er verstummte, als sie Lacke erreichten. Sein Gesicht war aschfahl, die Augen rot, blind. Morgan ahnte, was passiert war, ließ Larry vorgehen, war selber nicht besonders gut in so etwas.
    Larry ging zu Lacke, legte eine Hand auf seinen Arm.
    »Hallo, Lacke. Wie geht es dir?«
    Heilloses Durcheinander in dem Zimmer neben ihnen. Die Fenster, die man von der Tür aus sehen konnte, standen weit offen, dennoch trieb der beißende Geruch von Asche in den Korridor hinaus. Nebel hing in dem Zimmer, in dem Menschen zusammenstanden und mit lauten Stimmen sprachen, gestikulierten. Morgan schnappte die Worte »Verantwortung des Krankenhauses« und »wir müssen versuchen …« auf.
    Was sie versuchen mussten, hörte er nicht, denn Lacke wandte sich ihnen zu, starrte sie an wie zwei Fremdlinge, sagte: »… hätte es verstehen müssen …«
    Larry lehnte sich über ihn.
    »Was hättest du verstehen müssen?«
    »Dass es passieren würde.«
    »Was ist denn passiert?«
    Lackes Augen wurden klar, er sah zu dem nebelverhangenen, traumgleichen Zimmer und sagte schlicht: »Sie ist verbrannt.«
    »Virginia?«
    »Ja. Sie ist verbrannt.«
    Morgan machte zwei Schritte auf das Zimmer zu, lugte hinein. Ein älterer Mann mit Autorität trat zu ihm.
    »Entschuldigen Sie, aber das ist hier kein Zirkus.«
    »Nein, nein. Ich wollte nur …«
    Morgan lag

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