So finster die Nacht
weißt du was? Wenn der Iwan an Land geht, sagen wir einfach: ›Immer mit der Ruhe, Jungs, legt eure Kalaschnikoffs ab, die Sache entscheiden wir lieber mit einem Pingpongmatch.‹ Anschließend dürfen sich die Generäle angeschnittene Bälle zuspielen.«
»Die Russen spielen Pingpong?«
»Nee. Also erledigen wir die Sache mit links. Vielleicht bekommen wir ja das ganze Baltikum zurück.«
Lacke wischte sich mit einer Serviette übertrieben sorgfältig den Mund ab, sagte: »Jedenfalls ist es seltsam.«
Morgan zündete sich eine John Silver an. »Was denn?«
»Die Sache mit Jocke. Er hat immer Bescheid gesagt, wenn er irgendwohin wollte. Ihr wisst schon. Wenn er zu seinem Bruder auf Väddö wollte, war das für ihn eine große Sache. Er fing schon eine Woche im Voraus an, davon zu erzählen. Was er mitnehmen würde, was sie vorhatten.«
Larry legte eine Hand auf Lackes Schulter.
»Du sprichst von ihm in der Vergangenheit.«
»Was? Ja. Also ich glaube wirklich, dass ihm etwas passiert ist. Ich glaube das.«
Morgan trank einen ordentlichen Schluck Bier, rülpste.
»Du glaubst, er ist tot.«
Lacke zuckte mit den Schultern, sah hilfesuchend Larry an, der das Muster auf den Servietten studierte. Morgan schüttelte den Kopf.
»No way. Das hätten wir erfahren. Das hat der eine Bulle doch gesagt, als sie da waren und die Tür geöffnet haben, dass sie dich anrufen, sobald es etwas Neues gibt. Nicht, dass ich den Bullen über den Weg trauen würde, aber … man müsste doch etwas gehört haben.«
»Er hätte anrufen müssen.«
»Mein Gott, seid ihr verheiratet oder was? Mach dir keine Sorgen. Er taucht schon wieder auf. Mit Rosen und Schokolade und dem Versprechen, so etwas nie, nie wieder zu tun.«
Lacke nickte resigniert und nippte an dem Bier, das Larry ihm unter der Bedingung ausgegeben hatte, dass Lacke ihm eins spendierte, sobald bessere Zeiten gekommen waren. Noch zwei Tage, höchstens. Dann würde er anfangen, auf eigene Faust zu suchen. Alle Krankenhäuser und Leichenschauhäuser anrufen und was man sonst noch alles tun konnte. Man ließ seinen besten Freund nicht im Stich. Wenn er krank oder tot oder was auch immer war. Man ließ ihn nicht im Stich.
*
Es war halb acht, und Håkan machte sich allmählich Sorgen. Er war planlos um das Gymnasium und die Vällingbyhalle herumgestrichen, wo viele Jugendliche unterwegs waren. Sportvereine trainierten, und das Schwimmbad war bis in den Abend hinein geöffnet, weshalb kein Mangel an möglichen Opfern herrschte. Das Problem bestand vielmehr darin, dass die meisten von ihnen in Gruppen unterwegs waren. Er hatte den Kommentar eines Mädchens aus einer Gruppe von dreien aufgeschnappt, ihre Mama sei »immer noch total psycho wegen diesem Mörder«.
Er hätte natürlich weiter weg fahren können, in einen Stadtteil, in dem seine Tat nicht in allen Köpfen herumspukte, aber dann lief er Gefahr, dass das Blut auf dem Heimweg schlecht wurde. Wenn er es schon machte, wollte er seinem Geliebten auch das Beste bieten. Und je frischer, je näher der Quelle, desto besser. Das hatte er erfahren.
Letzte Nacht war es richtig kalt geworden, die Temperaturen unter den Gefrierpunkt gefallen. Dadurch erregte es kaum Aufsehen, dass er eine Skimütze mit Löchern für Augen und Mund trug, die sein Gesicht verbarg.
Andererseits konnte er hier auch nicht endlos herumschleichen. Irgendwann würde jemand Verdacht schöpfen.
Und wenn er niemanden in die Finger bekam? Wenn er ohne Beute nach Hause kam? Sein Geliebter würde nicht sterben, dessen war er sich sicher. Das war ein Unterschied zum ersten Mal. Doch diesmal gab es einen anderen, einen wunderbaren Einsatz. Eine ganze Nacht. Eine ganze Nacht mit dem Körper seines Geliebten neben sich. Seine zarten, weichen Glieder, der flache Bauch, über den er sachte mit seiner Hand streichen würde. Eine Kerze im Schlafzimmer, deren Lichtschein über seidene Haut flackerte, die seine für eine Nacht.
Er rieb sich über das Geschlecht, das sehnsuchtsvoll pulsierte und schrie.
Ich muss mich beruhigen, ich muss …
Er wusste, was er tun würde. Es war zwar Wahnsinn, aber er würde es tun.
Er würde ins Schwimmbad gehen und sich dort sein Opfer suchen. Um diese Uhrzeit wurde es vermutlich von relativ wenigen Menschen besucht, und jetzt, nachdem er sich entschieden hatte, wusste er genau, wie er vorgehen würde. Sicher, es war gefährlich. Aber durchaus machbar.
Sollte es schief gehen, würde er den letzten Ausweg wählen. Aber es
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