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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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kann ich Ihnen am Telefon leider nicht sagen.«
    »Ist etwas mit meinem Vater? Theodor Hänssler? Ich habe eben versucht anzurufen, Sie müssten meine Nachricht auf der Mailbox hören können.«
    »Wie gesagt, ich kann Ihnen leider keine Auskunft erteilen.«
    »Ist er verunglückt? Im Krankenhaus?«
    Ein kurzes verräterisches Schweigen dröhnte ihr entgegen, bevor der Polizist unbeholfen vorschlug: »Ich kann Sie abholen lassen, sofern Sie nicht fahren können oder wollen.«
    Merle lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen. Blut rauschte in ihren Ohren, während die Realität ihr den Boden unter den Füßen wegzureißen drohte. Sie hatte es längst begriffen.
    »Er ist tot, nicht wahr?«, sagte sie tonlos. »Sie wollen mir sagen, dass mein Vater tot ist.«

Siebzehn
    Brotkrumenspur
    D er Anblick schnitt Jakob ins Herz. Merle hielt sich nur noch durch puren Willen aufrecht, als dieser Polizist Sturm ihr ganz sanft das Handy aus der Hand nahm und das Gespräch übernahm.
    Er hätte sie so gern unterstützt. Sie hatte in letzter Zeit zu viel mitgemacht, als dass ein Mensch allein es kaum ertragen konnte. Aber ihr Blick genügte, um ihn auf Abstand zu halten. Wie jede Frau sagte sie nicht immer, was sie wollte, und er kannte sie erst eine sehr kurze Zeit, aber er verstand dennoch jede ihrer Botschaften. So etwas hatte er noch nie erlebt. Jetzt zum Beispiel war es genau wie am Sonntagvormittag, als er den ersten Anflug von Misstrauen bei ihr entdeckt zu haben glaubte. Sie gab ihm zu verstehen, er solle Abstand halten. Oder sich am besten vollständig in Luft auflösen.
    Er konnte es ihr nicht verdenken. Aus ihrer Sicht sprach alles gegen ihn. Die Sache mit den Schlaftabletten hätte er nicht zugeben sollen. Schließlich hatte er nichts getan! Es war ihm nicht einmal selbst bewusst gewesen, was er vorgehabt hatte, bis sie es ausgesprochen hatte.
    Das hatte er wirklich gründlich vermasselt.
    Wäre er bei seinem ersten Ausflug nach Steinberg nicht Björn begegnet und hätte dieser ihn nicht gebeten zu bleiben, wäre er ja auch unverrichteter Dinge wieder abgereist. Es stimmte schon: Streng genommen hatte er hier nichts zu suchen. Vermutlich war er nicht nur für Merle eine Persona non grata.
    Er versuchte trotzdem, in Merles Nähe zu bleiben. Sie agierte mit ihrer Umwelt, als hätte man sie in Watte gepackt. Fragen beantwortete sie scheinbar rational, ließ sich von Sturm zu einem Streifenwagen bringen, stieg ein und wartete regungslos, bis der junge Polizist fertig war. Bei ihm war sie sicher in guten Händen.
    Traurig sah Jakob dem Wagen hinterher, als sie losfuhren. Er hätte sie lieber begleitet, denn es war offensichtlich nur eine Frage der Zeit, bis sie zusammenbrach. Aber er sah ein, dass er im Moment wirklich nichts tun konnte.
    Daher bot er Björn an, sich an der Suchaktion zu beteiligen.
    Der kratzte sich nachdenklich den Bart. »Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. Mein Wort gilt zwar in dieser Gemeinde etwas, aber Nicole hat in den letzten beiden Tagen so viel Gift gestreut, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass einige dir gegenüber misstrauisch sind.« Jakob nickte matt.
    Björn ließ sich auf eine der Holzbänke fallen, die auf dem Marktplatz um einige Blumenrabatten herum aufgestellt waren. Er war inzwischen sichtlich mürbe geworden. Wer konnte es ihm verdenken? Jakob sah das kleine Mädchen mit dem Korb und dem roten Kapuzenpulli noch deutlich vor sich. Wie munter sie beim Abendessen dahergeplappert und tausendundeine Frage gestellt hatte, nachdem sie erst einmal ihre Scheu vor ihm überwunden hatte.
    »Wir finden Ronja«, erklärte er und legte alle Überzeugung und allen Optimismus in diese Worte, zu denen er fähig war.
    Björn nickte, den Blick auf die bunten Herbstblumen gerichtet. »Du kannst gern bei mir auf dem Hof bleiben. Frag einfach jemanden, der gerade da ist. Sie sollen dir eines der Gästezimmer geben.«
    »Kann ich mich auf dem Hof nützlich machen?«
    »Verstehst du etwas von Ziegen?«
    »Nein.«
    Ein verunglücktes Grinsen huschte über Björns Miene. »Dann besser nicht. Ich habe gute Leute, die den Betrieb ein paar Tage ohne mich aufrechterhalten können. Es gibt für mich nichts zu tun.«
    Außer nach deinem Kind zu suchen,
beendete Jakob den Satz im Stillen. Er nickte verstehend.
    Björn erhob sich wieder, schwerfällig, als wäre er in den letzten Tagen um Jahre gealtert. »Warte einen Augenblick, dann fahren wir gemeinsam hinauf zum Hof. Wie gesagt, ich

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