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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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Nach Luzifer, dem Teufel. Omi hat das nie herausgefunden.«
    »Cool!« Ronjas Augen leuchteten. »Oma Mago hat Luzis Töchter Muschi oder Minka genannt. Das finde ich viel langweiliger.«
    Merle grinste. »Stimmt. Außerdem hatte Omi immer darauf bestanden, dass ein richtiges Hexenhäuschen mindestens eine schwarze Katze braucht. Die Schwarze hieß immer Mohrle – bis zu Luzi der Ersten. Diese Luzi müsste also Luzi die Zweite oder sogar Luzi die Dritte sein.«
    Ronja zog unschlüssig die Schultern hoch. »Die Nummer weiß ich nicht. Sie heißt einfach Luzi.«
    Merle und Björn hatten sich ab einem gewissen Alter natürlich besonders über den Namen Muschi lustig gemacht, aber Omi hatte das völlig kaltgelassen. Ihre Katzen hatten immer die gleichen Standardnamen, und sobald eine verstorben war, gab es die nächste Muschi.
    Schlagartig wurde Merle bewusst, dass sie mit Ronja über ihre Erinnerungen sprechen konnte, ohne dass es weh tat. Das Mädchen hatte »ihre« Oma Mago sicherlich sehr gerngehabt, war aber nicht in der Lage, ihren Tod vollständig zu realisieren. Es würde die liebenswürdige alte Hexe sicherlich vermissen. Gleichzeitig aber war dieses Kind so voller Entdeckergeist und Lebensfreude, dass sich seine Welt bereits jetzt weiterdrehte. Dieser kindliche Hauch eines Lebens im Augenblick tat Merle gut, und fast wünschte sie sich, Ronja würde sie nach Hamburg begleiten. Oder besser noch, sie selbst könnte einfach hierbleiben. Aber Steinberg hatte vermutlich keinen Bedarf an einer Fachanwältin für Wirtschaftsrecht. Und selbst wenn sie ihren Beruf aufgab – eine Vorstellung, die sie in letzter Zeit zunehmend attraktiver fand –: Sie konnte ja sonst nichts, mit dem sich Geld verdienen ließe.
    Ronja zupfte Merle am Mantelärmel. »Hast du auch mal Rehe gesehen?«
    »Rehe? Nein, die sind nie so nah ans Haus gekommen.«
    Jetzt hob Ronja die Hand an den Mund und flüsterte vertraulich zu Merle auf: »Wir haben heute eins gesehen. Das war ganz nah, und wir hätten es beinahe gefangen.«
    »Gefangen? War es verletzt? Rehe sind doch viel schneller als Kinder.«
    »Das nicht. Es hat nur ein ganz kleines bisschen gehumpelt. Ich glaube, ich habe es vor ein paar Tagen schon mal gesehen, hinter dem Verbotenen Garten. Da hat es ganz doll gehumpelt. Aber weil Amelie uns nicht glauben wollte, dass wir Cinderella gesehen haben, und Luke gerade vom Baum gefallen war …«
    »Wolltet ihr Äpfel stibitzen?«
    »Nein, das war kein Apfelbaum.« Ronja erschrak und biss sich auf die Lippen.
    »Soso, es war kein Apfelbaum«, stellte Merle streng fest und musste sich zugleich ein Schmunzeln verkneifen. »Ich kenne nur einen einzigen anderen Baum, der kein Apfelbaum ist und auf den man hinaufklettern kann. Ihr seid also im Verbotenen Garten gewesen.«
    Ronja betrachtete schweigend ihre Füße, bis Merle sie leicht anstupste. »Soll ich dir noch etwas verraten? Dein Vater und ich waren früher auch mal dort.«
    »Echt?«
    »Wirklich wahr.«
    »Dabei schimpft er immer, weil wir so neugierig sind. Beim ersten Mal fand ich es dort gar nicht so schlimm. Aber dann hatte ich das Gefühl, dass der Baum mir hinterherguckt.« Ronja schüttelte sich.
    »Du meinst, dass der Baumstamm an einer Stelle ein bisschen aussieht wie ein Gesicht.«
    Merle lächelte, als die Kleine angestrengt überlegte. Ihre Gesellschaft war wirklich Balsam.
    »Habe ich nicht gesehen. Da ist kein Gesicht«, behauptete sie schließlich.
    »Es wäre dir aufgefallen, wenn es noch da ist. Wer weiß, vielleicht ist es über die Jahre so verwachsen, dass man es nicht mehr erkennen kann. Und bitte, Ronja: Omi war das immer ganz wichtig, dass niemand in den Verbotenen Garten geht. Lauf jetzt nicht bei der nächsten Gelegenheit noch mal hin und schau nach.«
    Ronja schaute erschrocken. »Ganz bestimmt nicht«, wehrte sie nachdrücklich ab. »Ich habe Papa geholfen, die Äpfel zu pflücken, und jetzt möchte ich erst mal gar nicht mehr hin. Die Äpfel pflückt Papa immer, seit Oma Mago das nicht mehr selbst kann. Wir können die gar nicht alle essen. Zum Teil verschenken wir sie. Die kleinen bekommen die Ziegen. Soll ich dir ein paar schöne raussuchen? Die kannst du mitnehmen.«
    Natürlich hatte Merle schon das »Nicht nötig« auf den Lippen. Dann wirkte auf einmal die friedliche Umgebung auf sie ein, die ruhige Geschäftigkeit der Dorfbewohner vor der Kirche und Ronja, die erwartungsvoll zu ihr hochblickte. Sie erinnerte sich an die Äpfel in Omis Garten, wie sie

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