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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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viel zu schön, viel zu kurz. Er stöhnte wieder, zum Teil enttäuscht.
    Greta hob ihren Rock, stieg von ihm ab und verschloss die Bänder vor der Brust. Hans saß da, wurde sich seiner feuchten Haut bewusst und wagte es nicht, nach unten zu sehen.
    Jegliche Freundlichkeit war aus Gretas zauberhaften Zügen gewichen. »Zieh dich an! Ich habe Hunger«, sagte sie.
     
    Nach ein paar Monaten erkannte selbst Hans, dass Greta schwanger war. Er war sicher, dass es mit dem Geschehen jenes Abends zusammenhing. Greta erwies sich nie wieder auf diese Weise freundlich, aber sie wurde ein wenig milder und schlug ihn seltener. Hans war von dem, was sie getan hatten, noch lange beeindruckt. Er hätte es gerne noch einmal versucht. Gleichzeitig stritt sein Gewissen gegen dieses Verlangen und behielt die Oberhand. Es war Sünde. Lange kniete er in seinem Verschlag und betete inbrünstig um Vergebung. Doch falls Gott ihn erhörte, verstand er Seine Botschaft nicht.
    Eines Nachts riss ihn kurz vor Morgengrauen ein bestialisches Gebrüll aus dem Schlaf. Hans war sofort hellwach, rannte aus der Scheune, stürmte ins Haus und die Treppen zu Gretas Schlafgemach hinauf. Er hatte den Raum noch nie betreten dürfen, doch jetzt stand die Tür offen. Er lief hinein und musste mit dem nächsten Atemzug gegen einen Brechreiz ankämpfen. Überall waren Blut, helle Flüssigkeit und Kot verteilt. Greta lag nackt und blutverschmiert auf dem Bett. Auf dem Boden lag etwas wie weggeworfen. Es zuckte leicht.
    Vorsichtig ließ sich Hans auf ein Knie nieder und nahm das kleine Bündel Leben auf. Es war ein Säugling, ein kleiner Junge. Sein Sohn. Am Bauch hingen noch die Reste der Nabelschnur.
    Er blickte zu Greta, die auf allen vieren aus dem Bett kroch und dabei mit einer Hand nach dem Säugling langte. Ihre Augen funkelten dunkelrot. Sie entblößte ihre Zähne, die spitzer aussahen als sonst.
    »Du musst es töten. Töte es!«
    Hans fühlte sich auf einmal um Jahre zurückversetzt. Zu jener Zeit, als er mit Greta am Waldrand gehockt und sie das Gleiche von ihm verlangt hatte. Aber damals war er ein Junge gewesen. Jetzt war er ein Mann.
    Er zog das Neugeborene an seine Brust. »Nein!«
    Doch auch Greta war nicht länger Greta. Sie hatte immer noch ihre menschliche Gestalt. Aber so, wie man einen Schatten aus den Augenwinkeln sieht, erblickte Hans ein namenloses Grauen. Sie fauchte wie eine wilde Bestie. »Bevor der Hahn dreimal kräht, wirst du mich verraten haben!«
    Ein Hahn krähte.
    »Gib es mir!«
    »Nein! Niemals!«
    Hans schrie auf, versuchte ihren Schlägen auszuweichen. Ihre Hände wuchsen zu Krallen, die versuchten, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Er warf sich zu Boden und rollte sich auf seinen Sohn.
    Der Säugling stank.
    Verzweifelt trat Hans um sich und versuchte, das Monster, das einmal Greta gewesen war, mit dem Arm abzuwehren. Ein brennender Schmerz durchfuhr seinen Unterarm. Er roch Blut.
    »Lass mich! Lass mich! Bitte!«
    Sie war zu mächtig. Er hatte es immer gewusst. Er hatte sich nur in einem geirrt: Sie war nie seine Schwester gewesen. Nie freundlich, nie hilfsbedürftig, niemals sanft. Sie war der Teufel. Der Teufel selbst war in dieses Haus gekommen.
    »Bevor der Hahn dreimal kräht, wirst du mich verraten haben!«
    Der Hahn krähte zum zweiten Mal.
    Hans begriff weder, woher der Teufel diese Zitate aus der Bibel kannte, noch, warum er sie nun aussprach. Warum ließ Gott so etwas ungestraft geschehen? Oder war es nur eine weitere Prüfung, eine Folter, mit der der Teufel Hans’ Seele peinigen wollte? Ihm fiel darauf nur eines ein: Mit zitternder Stimme begann er zu beten. »Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir.«
    Er konnte seine eigenen Worte kaum verstehen, während er versuchte, unter das Bett zu kriechen, und dabei den wimmernden Säugling mit sich schleifte. Sein Verstand klammerte sich an die vertrauten Worte des Gebetes, schrie sie heraus und versuchte, das Schaben und Knurren zu übertönen. Er spürte Urin an seinen Beinen entlanglaufen.
    »Du bist gebenedeit unter den Frauen. Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus!«
    Es biss ihn. Das Monster biss ihn mit nadelspitzen Zähnen in die Seite. Natürlich, es wollte sein Herz. Der Teufel reißt den Menschen das Herz heraus und stiehlt ihnen die Seele. Der Säugling war noch nicht getauft. Der Junge würde verdammt sein, wenn er starb. Sein Sohn durfte nicht sterben! Hans presste ihn an seine Brust.
    Der Teufel kratzte und biss und

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