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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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noch unterwegs. Laut Angabe auf meinem Navi dauert es noch circa fünfzig Minuten.«
    »Schön.«
    »Ich habe Neuigkeiten in Bezug auf deine Nachforschungen.«
    »Was denn?«
    »Später, das lässt sich nicht in zwei Sätzen erklären. Wie war es bei dir?«
    »Wir haben gewonnen, und Revision ist nicht mehr möglich.«
    »Herzlichen Glückwunsch!«
    »Reden wir nicht mehr davon. Ich habe noch eine weitere Unterlage gefunden, die du dir ansehen kannst.«
    Sie freute sich, als sie ihn lachen hörte. »Klar, du bist die Chefin. Eigentlich wollte ich mich ja um dich kümmern und nicht um deine Unterlagen.«
    »Du kümmerst dich erst um mich und mein verlottertes Sexleben, dann um die Unterlagen.«
    »Das meinte ich gar nicht. Dir geht es nur um das eine, was? Ich bin Germanist!«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Vielleicht finde ich die Unterlagen doch interessanter als dein Sexleben.«
    »Wie bitte?« Merle grinste. Sie mochte solches Geplänkel, sehr sogar. Offensichtlich hatte sie sich aber im Tonfall vergriffen, oder es war durch die Leitung schlecht rübergekommen.
    »Das war dumm von mir, das wollte ich nicht. Das war nur ein blöder Spruch, ich …«
    »Jakob!«, säuselte Merle mit spitzen Lippen. »Deine Sorge ist berechtigt. Ich habe hier einige wirklich
sehr
erotische
Unter-
Lagen.«
    Seine Antwort bestand nur aus verblüfftem Schweigen. Lachend legte Merle auf und hoffte, dass sie es nicht zu weit getrieben hatte. Nicht, dass sich Jakob jetzt nicht mehr aufs Fahren konzentrieren konnte.
    *
    Wie auf eine geheime Vereinbarung hin begannen sie den Abend ganz anders als am Telefon besprochen. Merle hatte den Kaminofen in ihrem Wohnzimmer angezündet und eine Flasche Rotwein bereitgestellt. Als Jakob eintraf, setzten sie sich einander zunächst gegenüber, sie auf der Couch und er in einem Sessel. Auf Merle wirkten sie beide unbeholfen, wie Fremde, die sie streng genommen nach zwei Tagen Bekanntschaft immer noch waren.
    Was ihn und seine Beweggründe anbelangte, konnte sie nichts erraten. Sich selbst kannte sie jedoch gut genug. Ein langes Wochenende würde sie noch einen ausgiebigen One-Night-Stand nennen. Ein zweites konnte zu einem dünnen Aufguss werden, dem nichts mehr nachfolgte. Deshalb drängte sie erst einmal alle Empfindungen zurück. Sie musste Jakob kennenlernen. Sie wollte wissen, auf wen sie sich einließ. Und eigentlich ging ihr das nach der Trennung von Michael alles zu schnell. Sie war kein Teenager mehr, der sich von einer Beziehung in die nächste stürzte. Sie wollte, dass es etwas Ernstes wurde, und bedächtig vorgehen. Auch wenn jede Faser ihres Körpers danach drängte, sich an seine Brust zu schmiegen, seinem Herzschlag zu lauschen, die Wärme seiner Haut zu fühlen und der Berührung seiner Finger nachzuspüren.
    »Ist dir kalt?«, drangen Jakobs freundlich besorgte Worte in Merles Bewusstsein.
    »Nein, wieso?«
    »Du hast gerade die Schultern so zusammengezogen. Ich finde es eher sehr warm hier drin.«
    Sie lachte ein wenig verlegen. »Ich dachte darüber nach, wie seltsam diese Situation ist. Jetzt sitzen wir hier wie Klosterschüler und wissen nicht, wie wir miteinander umgehen sollen. Dabei würden wir viel lieber … ich meine, ich würde viel lieber … so geht das nicht. Macht es dir was aus, dich wenigstens neben mich zu setzen?«
    »Überhaupt nicht.«
    Er setzte sich neben sie und hob sein Weinglas, um mit ihr anzustoßen. »Besser?«
    »Findest du nicht?«
    »Doch. Herrgott.« Er legte den Kopf in den Nacken und fing laut an zu lachen. »Ich fühle mich wie ein Teenager, so unbeholfen und eingeschüchtert. So etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Vielleicht sogar noch nie.«
    »Dafür hast du dich aber am Anfang ganz schön zurückgehalten. Du hast nicht einmal geflirtet«, wunderte Merle sich.
    Mit einem Schlag wurde er ernst. »Du hast mich vom ersten Augenblick an fasziniert. Ich wollte nicht, dass du denkst, ich wäre auf eine schnelle Nummer aus.« Er schaffte es wirklich, ein wenig reumütig auszusehen. »Außerdem sind Sexabenteuer eher die Domäne von Skilehrern, Fitnesstrainern oder Marketinghipstern, kaum von Germanisten.«
    »Jetzt fehlt nur noch, dass du sagst, du wärst gar nicht so.«
    »Es stimmt aber.«
    »Du betonst das schon sehr, findest du nicht? Du hast in unserer ersten Nacht etwas Ähnliches gesagt. Wen willst du überzeugen, dich oder mich?«
    Jakob schwenkte sein Weinglas und beobachtete, wie die rote Flüssigkeit in trägen Wellen

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