So finster, so kalt
wollte sie bald gründlich auskochen, damit wir sie benutzen können.«
»Verbrenne alles.«
»Verbrennen? Das sind zwei feinste Federkissen und ein Federbett, wie vornehme Leute sie haben. Nein, ich werde sie auswaschen, und dann werden wir sie benutzen.« Sie sah ihn fest an, dann lächelte sie schuldbewusst, bevor sie eilig nachschob. »Wenn du es erlaubst.«
Hans grinste unbeholfen zurück. Sie merkten beide, dass ihre Rollen noch nicht richtig verteilt waren. Agnes war eine zupackende Frau, die es gewohnt war, im Rahmen ihrer Befugnisse eigenständige Entscheidungen zu fällen. Genau das, was er brauchte.
»Gut, ich bin einverstanden. Du hast wohl recht.«
Johann regte sich im Schlaf, und Agnes streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Dann schüttelte sie plötzlich heftig den Kopf. »Hans, was bist du für einer? Da rennst du durch Nacht und Nebel, um für den Kleinen eine Amme zu finden. Deine Schwester schläft in teurem Leinen, während du in einem Verschlag in der Scheune haust. Was hat sie mit dir gemacht?«
Hans senkte zutiefst beschämt den Kopf. »Glaubst du mir jetzt, dass es nicht meine Schwester war und dass ich sie nicht angerührt habe?« Vor allem den letzten Punkt wollte er sich gerne glauben machen – ganz gleich, was die Leute im Dorf darüber dachten. Es war schon widerlich genug und niemals wiedergutzumachen, welche Buße er sich auch selbst auferlegen mochte.
»Du bist so ein guter Mensch«, murmelte Agnes mehr zu sich. »Was hat der Teufel nur mit dir gemacht?«
Sechs
Lebkuchenmännlein
W ütend umklammerte Ronja ihren Mikesch. Wäre er kein Stoffkater, hätte sie ihn vor Empörung erwürgt.
»Luke, du bist einfach
so
blöd!«, schimpfte sie, obwohl sie wusste, dass es nichts brachte. Das wertvolle Lebkuchenmännlein war in kleinen Stücken über den Waldboden verteilt, und niemand würde es mehr essen können.
»Wieso? Vielleicht mag das Reh doch Lebkuchen.« Luke schob die Unterlippe vor und sah sie trotzig an.
»Rehe fressen Gras und Blätter. Ganz bestimmt keinen Lebkuchen!« Ronja bemühte sich, überzeugt zu klingen. Aber ganz sicher war sie sich nicht. Die Ziegen auf Papas Hof mochten Lebkuchen. Das hatte sie unfreiwillig erfahren, als ihr eines der Tiere einmal ein halbes Männlein aus der Hand geschnappt und sie dabei um ein Haar in den Finger gebissen hätte. Aber das hier war etwas anderes. Luke wollte unbedingt dieses seltsame Reh fangen. Ronja hingegen wollte lieber so viel Abstand wie möglich zu diesem Tier halten. Denn es war wirklich komisch, lief ihnen beinahe jedes Mal über den Weg, sobald sie sich im Wald herumtrieben, besonders in der Nähe von Oma Magos Häuschen.
Das war nicht normal für ein Reh!
Egal zu welcher Tageszeit sie auf den Pfaden spielten, früher oder später erschien es und glotzte sie unheilvoll an, so dass Ronja immer eine Gänsehaut über die Arme prickelte. Dann stolzierte es unter den Bäumen auf und ab. Es humpelte zwar immer noch, wenn man ganz genau hinsah, aber es hatte sich im Gegensatz zum ersten Mal, als Ronja es gesehen hatte, prächtig erholt. Das ehemals struppige Fell glänzte, und seine Bewegungen waren wendiger, nicht mehr so unbeholfen und staksig wie bei einem Kitz.
Bei ihrer zweiten Begegnung mit dem Reh war Luke dabei gewesen, und nun war er felsenfest überzeugt, das Tier wollte, dass sie ihm folgten. Ronja hatte sich geweigert. Irgendetwas stimmte da nicht. Vielleicht hatte es Tollwut oder so. Und ehe sie nicht herausgefunden hatte, was mit dem Tier nicht stimmte, würde sie ihm nirgendwohin folgen. Luke auch nicht, wenn sie es verhindern konnte. Sie war die Ältere. Sie würde auf ihn aufpassen, ihn vor dem Reh beschützen. Das war wichtig, das spürte sie.
Einmal war Luke dem Tier schon ein Stück in den Wald gefolgt, doch irgendwann hatte es ihn abgehängt. Deshalb wollte er es jetzt anlocken, ihm dann ein Seil um den Hals legen und sich anschließend wie von einem Hund führen lassen. Was für eine bescheuerte Idee! Ronja hatte versucht, es ihm auszureden. Das hatte nicht geklappt. Also schaute sie zu und passte auf. Aber das mit den Lebkuchenmännlein, das ging zu weit!
»Ich habe dir den Lebkuchen gegeben, damit du ihn isst. Nicht damit du ihn an komische Rehe verfütterst.«
»Es ist nicht komisch, es ist hübsch!«
»Ich finde es unheimlich. Das ist kein normales Reh!«
»Du hast einfach immer Schiss!«
Ronja schnaubte und presste Mikesch wieder an sich. »Das ist der letzte Lebkuchen
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