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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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überhaupt auf der Welt. Da sind noch drei Männlein, die ich uns holen kann, danach wirst du nie wieder welche kriegen. Nie, nie, nie wieder! Weil Oma Mago tot ist! Wenn du den noch mal über den Boden streust, gebe ich dir keinen mehr ab!«
    Luke sah sie treuherzig an. »Verrätst du mir, wo Oma Mago die Lebkuchen versteckt hat? Ich sag es keinem weiter.«
    »Niemals!«
    »Warum nicht?«
    Ronja schlug sich Mikesch vor das Gesicht und sparte sich die Erklärung. Dann setzte sie sich auf einen umgekippten Baumstamm und sah Luke zu, wie er wieder mit leisen gurrenden Lockrufen durch die Farnwedel marschierte und den letzten Rest Lebkuchen vor sich ausgestreckt hielt. Weit und breit war kein Lebewesen zu sehen. Zum Glück auch kein Reh.
    Oma Mago hatte Ronja einmal das Versteck gezeigt. In der Scheune, am rückwärtigen Teil des Hauses, gab es einen Verschlag, ungefähr so groß wie eine Pferdebox. Etwa einen halben Meter über dem Boden war ein Loch in der gemauerten Wand. Man konnte es nur sehen, wenn man klein genug war. Oder wenn man sich hinkniete oder lag. Wenn man dort hineingriff, konnte man einen größeren Hohlraum ertasten. In diesen hatte Oma Mago immer ein Dutzend Lebkuchenmännlein gelegt. Sie hatte Ronja erklärt, dass es ein Ritual für ihre Ahnen wäre, weil jeder in der Familie Lebkuchen mochte. Gerade in letzter Zeit, seit die alte Frau sich nicht mehr so gut bücken konnte, um den Hohlraum zu erreichen, hatte Ronja ihr geholfen. Sie hatte die ausdrückliche Erlaubnis, sich jederzeit zu bedienen und so viel Lebkuchen zu nehmen, wie sie wollte. Aber sie durfte niemandem davon erzählen.
    Ronja hatte nicht vor, dieses Versprechen zu brechen. Schon gar nicht gegenüber so einem Idioten wie Luke, der ihr wertvolles Geschenk überhaupt nicht zu schätzen wusste.
    »Können wir jetzt gehen? Mir ist langweilig!«, murrte sie. Vielleicht ließ Luke so von seinem dämlichen Reh ab.
    Er sah sich gründlich um und nickte dann zögernd. »Es kommt heute nicht.«
    Gemeinsam gingen sie den Trampelpfad zurück.
    Dann stand das Reh plötzlich vor ihnen.
    Die beiden Kinder stockten in ihren Bewegungen, zu überrascht, um zu reagieren. Das Reh drehte den Kopf und starrte sie an. Seine riesigen dunklen Augen schimmerten, als es den Kopf hob und sich auf Ronja zubewegte. Ein schmales Maul streifte ihren Arm, während ihr eine unbestimmte Furcht in den Nacken kroch.
    So etwas taten Rehe nicht.
    Luke gluckste erfreut, doch Ronjas Blick fixierte die Nüstern des Tieres. Da war Blut. Ganz sicher. Es sah aus, als hätte das Reh seine Schnauze in Blut getunkt! Ronja wimmerte. Sie wagte nicht, sich zu rühren, aus Angst, das Reh würde zubeißen, während es seinen scheinbar sanften Blick auf dem Mädchen ruhen ließ.
    Dann streckte Luke die Hand aus, um das Reh zu streicheln. Es quiekte, riss den Kopf zurück und war mit zwei weiten Sprüngen verschwunden. Luke lief einen Schritt hinterher, doch als er erkannte, dass es aussichtslos war, ballte er die Faust und schimpfte leise.
    Ronjas Herz begann wieder zu schlagen. Wenigstens der Abgang war Reh-gerecht.

Sieben
    Märchenstunde
    P rozess gewonnen! Gut gemacht, Merle!« Volker klopfte ihr erleichtert auf die Schulter, während sie den Gerichtssaal verließen. Merle schaffte es, sich ein Lächeln abzuringen. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, kam Wilfried Frohn auf sie zu. Enthusiastisch griff er nach ihrer Hand und schüttelte sie. »Wir haben es geschafft. Frau Hänssler, dank Ihnen kann ich mein Unternehmen nun neu aufstellen. Sehr gut, sehr gut! Sagen Sie …« Er beugte sich vertraulich zu ihr hinab. Merle konnte aus den Augenwinkeln sehen, dass Volker verwundert den Kopf neigte. »… könnten Sie mich vielleicht auch in einer Erbschaftsangelegenheit vertreten?«
    Merle zwang sich, freundlich zu bleiben. »Bedaure, aber von Erbschaftsrecht habe ich nicht die geringste Ahnung.«
    »Von Veruntreuung hatten Sie bis zu diesem unglückseligen Vorfall auch keine.« Frohn lächelte jovial.
    »Da ich Ihr Unternehmen als Hausjuristin betreue, blieb mir nichts anderes übrig, als mich einzuarbeiten. Ich habe das nicht zum Spaß gemacht. Ohne meine Kollegen in der Kanzlei hätte ich es nicht geschafft. Wenden Sie sich an einen von ihnen.«
    »Ach, Frau Hänssler, nein, um Gottes willen. Meine Rechtsschutzversicherung wird das entsprechende Honorar übernehmen. Überlegen Sie es sich doch einfach während Ihres Urlaubs.«
    Falls Merle noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte,

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