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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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sind kurz hintereinander zwei Krankenwagen vorbeigefahren. Das war ein Höllenlärm, als ob sie mitten durch das Zimmer gefahren wären. Sag nicht, du hättest das nicht gehört.«
    Konnte das die Erklärung für das Heulen in ihrem Traum sein? Hatte ihr Unterbewusstsein die Sirenen zweier Krankenwagen einfach nur geschickt eingebaut?
    »Kann schon sein«, murmelte sie ausweichend. Sie wollte nicht weiter darüber sprechen. Es war unangenehm genug, dass Jakob all das mitbekam und noch dazu um seinen Schlaf gebracht worden war. Diese ganze Sache war viel zu intim, noch intimer als Sex. Wenn man jemanden kennenlernte, sprach man doch auch nicht sofort über Durchfall, Fußpilz oder Warzen. Und erst recht nicht über die Angst, langsam wahnsinnig zu werden.
    Sie aßen schweigend. Merles Gedanken kreisten neben der Scham, die sie empfand, um die Frage, was Jakob jetzt von ihr dachte. Als sie den letzten Zipfel ihres Croissants in den Mund schob, hatte sie sich schweren Herzens entschieden.
    »Wenn du möchtest, kannst du nach Hause fahren.«
    Erstaunt ließ Jakob das Brotmesser sinken. »Warum plötzlich so zickig? Habe ich etwas falsch gemacht?«
    »Nein, ich meinte eigentlich, dass du selbst entscheiden sollst, ob du die Nacht noch bleiben oder wieder nach Freiburg fahren möchtest. Es ist eine lange Fahrt, und wenn du noch eine Nacht schlecht schläfst, bist du am Montag todmüde. Das will ich nicht verantworten. Also fahr nur, wenn dir das lieber ist.« Merle gelang es, einen sachlichen Ton anzuschlagen, und sie hoffte, dass sie ihrer ersten Äußerung damit die Schärfe genommen hatte.
    Jakob schwieg, während er sich in aller Ruhe ein weiteres Brötchen mit Marmelade bestrich. Nach dem ersten Bissen sah er sie endlich aufmerksam an. »Wie soll ich das jetzt verstehen? Lautet deine Botschaft, ich sollte mich verpissen? Oder eher, dass ich unbedingt bleiben soll, weil es dir guttut, nicht allein zu sein, wenn du nach deinen Alpträumen aufwachst?«
    Merles Wangen wurden heiß, und sie war froh, dass sie nicht dazu neigte, wie ein Schulmädchen zu erröten. War sie so leicht zu durchschauen?
    Bevor sie zu einer Erwiderung ansetzte, grinste Jakob breit. Der düstere Schatten um seine Augen verschwand. »Ich hab dir doch gesagt, dass du mich so leicht nicht mehr loswirst. Ich bleibe, keine Widerrede.«
    Eine unschlüssige Stille breitete sich aus. Merle umklammerte ihren Kaffeebecher, und Jakob schob mit dem Brotmesser die Krümel auf seinem Teller zusammen. Sie schafften es wirklich beide, diesen Morgen ordentlich zu vermiesen. Merle streckte sich und gab sich einen Ruck. Ab jetzt würde sie alles dafür tun, dass dieses Wochenende nicht in einem völligen Desaster endete.
    »Du könntest für eine Non-Profit-Organisation arbeiten«, nahm er den Faden ihres ursprünglichen Gespräches wieder auf. »Das kommt deinen moralischen Vorstellungen vielleicht eher entgegen.«
    »Die Idee ist gut. Ich habe nur leider keine Ahnung von diesen Themengebieten.« Merle lächelte. Es erstaunte sie immer wieder, dass jeder glaubte, ein Jurist kenne sich mit allem aus, was irgendwie mit Gesetzen zu tun hatte. Dabei musste man sich doch nur einmal den Umfang des Bürgerlichen Gesetzbuches ansehen.
    Jakob zuckte mit den Schultern und legte das Brotmesser auf den Teller. »Es war nur eine Idee. Da verdienst du vermutlich nicht einmal einen Bruchteil von dem, was du jetzt bekommst. Die Miete für so eine Wohnung kannst du dir dann jedenfalls nicht mehr leisten.«
    »Die Wohnung gehört mir bereits und ist fast abbezahlt.«
    Jakob pfiff leise durch die Zähne. »Beeindruckend.«
    »Ich habe in den letzten fünfzehn Jahren kaum Geld ausgegeben, sondern nur dafür gearbeitet, mein Konto zu füllen. Kaum Urlaub, kein Auto, keine teuren Hobbys. Schmuck hat mir mein Ex mehr geschenkt, als ich für den Rest meines Lebens tragen kann. Ein paar Klamotten, hin und wieder abends in ein gutes Restaurant gehen, das war’s.« Merle hatte plötzlich das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. »Außerdem hat mein Vater mir einen Teil meines Erbes ausbezahlt, nachdem er in Rente ging und unser Haus in Freiburg verkauft hat.«
    »Bist du Einzelkind?«
    Sie nickte.
    »Das klingt nach einer guten Partie.« Jakob grinste. »Ich wollte schon immer mal eine Beziehung, in der die Frau mehr verdient als ich. Ich kündige und schmeiß dir den Haushalt.«
    Merle setzte ein strenges Gesicht auf. »Nicht bevor du die Forschung an meiner Familiengeschichte beendet

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