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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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Steinbergs auf dem Marktplatz. Nüchtern betrachtet, war es die einzige nennenswerte Touristenattraktion des Dorfes, und das musste natürlich ausgeschlachtet werden.
    Jakob strich sich die Haare aus der Stirn. Er konnte kaum bestreiten, dass es neben der Parallele zu
Hänsel und Gretel
ebenso eine Parallele zu dieser Sage gab. Schließlich hatte Greta Hans ebenso in den Wald gelockt, wie die Wilde Frau es mit ihren Opfern tat.
    Wenn man annahm, dass Greta wirklich ein übernatürliches teuflisches Wesen war, war die Erklärung ganz einfach: Das Dokument erzählte die Wahrheit, und die Hänsslers hatten sich mit einem Dämon herumgeschlagen. Die Hexe, oder was immer sie gewesen war, wollte ihn bannen und besaß ebenfalls die notwendigen magischen Fähigkeiten dazu. Vielleicht war das Feuer, das sie entfacht hatte, nicht ganz natürlich, so dass es sie vollständig verzehren konnte und keine Brandleiche übrig blieb. Ja, das wäre völlig logisch.
    Hans war ihr nur beim Bannen dazwischengekommen. Später hatte er selbst dieses Greta-Wesen in einem Baum festgesetzt, damit es keinen Schaden anrichten konnte.
    Und, um den alten Hamlet zu bemühen, es gab ja so vieles, was unsere Schulweisheit sich nicht träumen ließ.
    Jakob schmunzelte grimmig, während er einen großen Kreis um sein Schaubild zog. Klar, alles total einleuchtend. Und die Erde war eine Scheibe, und er verwandelte sich nachts in einen Wolf, der kleine Mädchen mit roten Mützen fraß. Oder, falls es keine bemützten Mädchen gab, dann eben Geißlein, Ziegen oder Schweine. In Bezug auf die Erde war er relativ sicher. Sich selbst kannte er natürlich auch gut genug. Den Rest fand er schon noch heraus. Eines aber wusste er schon jetzt, und das hatte er jedem voraus: Ganz sicher war es kein Zufall, dass Ronja und ihre Freundin ausgerechnet jetzt verschwunden waren.

Vierzehn
    Alles muss versteckt sein …
    R uckartig stand Merle auf. »Ich gehe wohl besser.«
    »Nein, bleib. Es hat nichts mit dir zu tun.« Björn versuchte, sie am Handgelenk zu fassen. Wortlos schüttelte sie den Kopf, denn sie war sich überhaupt nicht sicher, ob die Anschuldigungen dieser Nicole nicht doch einen Funken Wahrheit in sich trugen. Da war diese Apfelspur. Der merkwürdige Baum. Jetzt war noch ein kleines Mädchen verschwunden. Sie musste raus hier, nachdenken, Antworten finden, und das ging kaum in diesem stickigen überfüllten Raum mit zu vielen aufgeregten Menschen.
    So unauffällig wie möglich glitt sie durch die Menge und stahl sich davon. Erst als sie auf dem Weg zurück zum Haus die wiederum offen stehende Schranke passiert hatte, griff sie nach ihrem Telefon und wählte die Nummer ihres Vaters. Sie hörte ein Freizeichen, er hatte es also nach dem Flug wieder angeschaltet. Aber er ging nicht ran. Konnte man denn so fest schlafen? Oder saß ihr Vater doch ganz gemütlich in einem Stuttgarter Hotel? Das sähe ihm nicht ähnlich. Merle knurrte ungehalten. Warum hatte sie im Gemeindesaal nicht einfach gefragt, ob jemand ihren Vater gesehen hatte? Dann wüsste sie jetzt vielleicht, ob er in Steinberg war oder nicht. Warum machte Papa es ihr auch immer so schwer? Er beschwerte sich, wenn sie zu lange nichts von sich hören ließ, doch dass seine eigene Erreichbarkeit deutlich zu wünschen übrig ließ, stand natürlich auf einem anderen Blatt.
    Trotzdem musste sie jetzt mit jemandem reden.
    Auf einmal fiel ihr die Entscheidung, Jakobs Nummer zu wählen, sehr leicht. Sie war froh, dass sie ihm nicht persönlich gegenübertreten musste, denn das Misstrauen nagte wieder in ihr. Andererseits hätte sie beim Klang seiner Stimme ihre Seele verpfändet, um sich jetzt in seine Arme flüchten zu können.
    »Merle, lieb, dass du anrufst. Ich habe ein paar Fragen zu diesen Pilgerreisen deiner Familie.«
    »Das muss warten. Hier ist das totale Chaos ausgebrochen. Hast du davon gehört, dass hier Kinder entführt worden sind?«
    »Was? Nein! Ich habe die Nachrichten in den letzten beiden Tagen nur ganz am Rande verfolgt. Ich war mit anderen Dingen beschäftigt.«
    Merle überlegte kurz, ob sie wissen wollte, was das für andere Dinge waren. Ging sie das etwas an?
    »Das ist ja schrecklich!«, fuhr Jakob fort. »Was wird denn unternommen? Könnte man helfen?«
    »Ich glaube, im Moment nicht. Es sollen neue Suchtrupps organsiert werden, die das Waldgebiet um Steinberg systematisch durchkämmen. Aber erst ab heute Nachmittag. Im Moment ist die Polizei wieder dabei, die Eltern und Nachbarn

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