So frei wie der Himmel
mehr kann als nur Computerspiele spielen."
"Mitch, ich habe nie …"
"Doch hast du. Und jetzt will ich einfach nur nach Hause, okay? Ich habe Bronwyn schon einmal versetzt. Das kann ich mir kein zweites Mal erlauben."
Als sie einen Blick in den Rückspiegel warf, entdeckte sie Jesses Truck hinter sich. Ein überwältigendes Gefühl der Einsamkeit stieg in ihr hoch, füllte ihre Brust und schwoll immer weiter an, als wollte es sie zerreißen.
"Ich will deinem Liebesleben auf keinen Fall im Weg stehen", sagte sie steif.
"Zumindest habe ich eines", versetzte Mitch.
Auf diese Bemerkung antwortete sie nicht. Schweigend fuhr sie über die Hauptstraße von Indian Rock und war sich die ganze Zeit schmerzlich bewusst, dass Jesse ihnen in einigem Abstand folgte. Vielleicht hatte er es sich noch einmal überlegt. Vielleicht war er doch bereit, über alles zu sprechen wie ein normaler vernünftiger Mensch. Danach konnten sie getrennte Wege gehen, das ließ sich sowieso nicht vermeiden. Aber zumindest wäre damit ihre Geschichte abgeschlossen.
Cheyenne sehnte sich verzweifelt nach einem Abschluss. In ihrem Leben gab es schon zu viel Unerledigtes.
Als sie abbog, fuhr Jesse schnurstracks an ihnen vorbei.
Kapitel 18
Cheyenne hasste Kasinos. Sie hasste den Lärm, die Anspannung, die Verzweiflung und die Gier, die in der Luft lag. Und vor allem hasste sie Poker. Und ausgerechnet sie nahm an einem Samstagnachmittag im Juni an einem Pokerturnier teil. Ihre Freundinnen bauten auf ihren Sieg.
Für einen Moment schloss sie die Augen.
Elaine flüsterte ihr zu: "Du kannst das Cheyenne. Tu es fürs Krankenhaus!"
"Und für uns", fügte Janice hinzu.
Nur Sierra schien etwas unsicher. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie in einer Woche heiratete. Vermutlich fragte sie sich, warum sie sich überhaupt in so eine hoffnungslose Situation gebracht hatte.
Cheyenne fragte sich dasselbe - in vielerlei Hinsicht. Zaghaft trat sie auf die etwa dreißig Tische zu. Ob Jesse auch hier war?
Mein Gott, bitte nicht, dachte sie. Sie konnte nur hoffen, dass er noch immer beim Campen war. Andererseits regnete es seit Tagen. Da konnte sich selbst ein noch so gesunder Mann leicht eine Lungenentzündung holen.
"Gib einfach dein Bestes", wisperte Sierra.
Cheyenne nickte. Nur würde ihr Bestes nicht reichen. Natürlich kannte sie sich ein wenig mit Pokern aus, jedoch vor allem als stille Beobachterin. Sie wünschte, dass dieses Spiel nie erfunden worden wäre. Umso bescheuerter von ihr, sich ausgerechnet auf so einen begeisterten Pokerspieler wie Jesse McKettrick einzulassen.
Aber sie liebte Jesse seit ihrer Kindheit. Und heute genauso hoffnungslos wie damals.
Ende der Geschichte.
Sie ließ sich registrieren, steckte ihr Namensschild an und suchte ihren Tisch. Zwischen lauter Fremden, die sich alle zu kennen schienen, nahm Cheyenne ihren Platz ein. Mit gesenktem Blick wünschte sie sich nur, es schnell hinter sich zu bringen.
Plötzlich glaubte sie die Stimme ihres Vaters zu hören. Es ist nie so schlimm, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte, Kleines.
Erschrocken sah Cheyenne auf. Jesse saß ihr direkt gegenüber und starrte sie durchdringend an. Am liebsten wäre sie weggerannt. Doch das ließ ihr Stolz nicht zu. Was hatte sie denn zu verlieren? Also hob sie das Kinn und wartete auf die ersten Karten.
Jesse bekam zwei Asse, was ihm allerdings nicht zu sehr gefiel. Insgesamt wirkte er wie eine etwas ungepflegtere Version seiner selbst. Sein Gesicht war mager und unrasiert. Mit aller Kraft schüttelte Cheyenne diese Eindrücke ab, genauso wie die Zärtlichkeit, die in ihr aufstieg.
Er war der Feind.
Um nach Las Vegas zu kommen, müsste er als Titelverteidiger gar nicht mitspielen. Es konnte nur einen Grund geben, warum er hier an einem regnerischen Samstagnachmittag saß: Er wollte sie demütigen und aus dem Rennen werfen, einfach nur so, um zu zeigen, dass er es konnte.
Du wirst dich noch wundern, dachte Cheyenne. Ich werde mich nicht einfach kampflos geschlagen geben. Und mit einem Mal stieg alles, was sie über das Pokern wusste, mit atemberaubender Klarheit an die Oberfläche.
Sie sah auf und hielt seinem Blick stand. Schweigend forderte sie ihn auf anzufangen. Und als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, nickte er. Cheyenne überstand die erste Runde. Jesse auch.
Genau wie die nächste und übernächste. So zog sich der Nachmittag dahin. Ein Spieler nach dem anderen schied aus, unter ihnen auch Elaine, Janice und
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