So fühlt sich Leben an (German Edition)
rumstehen und seinen Kram runterrappen, sondern Körpersprache, Publikum einbeziehen, mit den Leuten spielen. Dann folgten meine ersten Soloauftritte. Nichts Weltbewegendes, klar, nur eine halbe Stunde mal auf dieser Party, mal auf jener, aber schon da habe ich gemerkt: Es funktioniert. Ich kann’s. Ich bin nicht so aufgeregt, dass ich meine Texte vergesse, und es macht mir tierischen Spaß, ein Publikum zu begeistern.
Also, wir haben gemeinsam Songs geschrieben, wir sind mit unseren selbst gemachten Sachen aufgetreten, wir waren die Local Heroes, und ich muss sagen: Das passte. Das war noch besser als Sprühen. Denn Graffiti waren immer ein stiller Erfolg. Bei Graffiti waren es allenfalls Blicke, mit denen dein Publikum dich belohnte. Aber jetzt war es ein hörbarer, ein lautstarker Erfolg. Beim Rappen gingen die Hände hoch und die Leute rappten deine Texte mit, und davon hatte unsereins letztlich doch mehr.
Ich war stolz wie Bolle.
13 | Moneten, Flocken & Zaster
Ich war mir nicht sicher, ob mit Rap Geld zu verdienen wäre. Sicher, Waffel konnte davon leben, aber er beherrschte das Metier wie kaum ein Zweiter und war schon lange in der Szene. Unser Da-Mash-Album war jedenfalls kein Erfolg. Wenn wir auftraten, hatten wir immer einen Stapel dabei, für den Fall, dass nach dem Konzert einer kam und fragte: » Habt ihr ’ne CD gemacht?« Ansonsten war das Album eher dazu gedacht, Freunde und Bekannte und vor allem uns selbst zu beglücken. Da passierte eines Tages Unglaubliches.
Weder für Waffel noch für mich war Da Mash das Nonplusultra. Ich träumte von einer Solokarriere, und Waffel hatte ja seine feste Gruppe, A Real Dope Thing, für den spielte sich Da Mashalso auf einem Nebenschauplatz ab. Eines Tages klingelte bei mir das Telefon. Waffel war am Apparat.
» Pass mal auf«, sagte er mit seiner Bassstimme. » Da gibt’s ein Studio, das gerade Boygroups produziert. Die brauchen Texter. Die brauchen Autoren. Traust du dir das zu?« Damals, Mitte der Neunzigerjahre, schossen Boygroups wie Pilze aus dem Boden.
» Klar«, sagte ich. » Geh ich hin. Was kriegt man dafür?«
» Massenhaft Kohle. Am Tag einen Fünfhunderter.«
» Wunderbar.«
Klang wirklich gut. Und dann nannte er einen Namen. Hansa. Das war der Name des Studios. Hansa am Potsdamer Platz? Nie gehört.
Vor einem Jahr noch wäre ich als der vergammelte Sprüher im Hansa aufgetaucht. Mittlerweile saß in dem Auto, das am vereinbarten Tag zum Potsdamer Platz fuhr, ein stylischer Hip-Hopper– der nicht einmal ahnte, dass er gerade auf dem Weg zu einem der größten Studios Europas war. Ich wusste gar nichts, weder etwas von der Geschichte noch etwas von der Bedeutung des Hansa. In den Siebziger- und Achtzigerjahren war es die Nummer eins auf dem Kontinent gewesen, Leute wie David Bowie, Rio Reiser und U2 hatten dort produziert. Und ich, das muss man sich vorstellen, fahre dahin wie ein Volltrottel, der sich in einem x-beliebigen Laden ein paar Kröten verdienen will.
Erst als ich die imposante Sammlung Goldener Schallplatten im Eingangsbereich sah, schwante mir was. Kerstin, die am Empfang saß, bat mich, für einen Moment Platz zu nehmen. Ich fläzte mich in eine voluminöse schwarze Ledercouch. Dann kam Alexander Wende, der Studiomanager, und führte mich in eines der Studios.
Ich war etwas aufgeregt, als ich eintrat. Das hier war in jedem Fall was Größeres. Das hatte in jedem Fall eine Dimension, die alle meine Vorstellungen überstieg. Vom Potsdamer Wohnküchenstudio des DJ KnickNeck ins Hansa, das war, als würde man aus der Steinzeit ins Raketenzeitalter katapultiert. Allerdings, und da musste ich wieder schmunzeln, hatte das Problem, vor dem sie standen, Potsdamer Wohnküchenstudioformat.
Was war der Fall? Die Jungs von Triple M, gewiefte Lackaffen, die später Nana und Toni Cutura produzierten, nahmen gerade eine Platte mit einer Boygroup auf, die sich sinnigerweise The Boyz nannte und in Richtung New Kids on the Block und Take That ging. Das war so ein zusammengecastetes Häufchen schöner Knaben, für die Mädels auf geil getrimmt, und einer dieser Jungs sollte rappen. Das heißt, sie stellten sich eine Coverversion des alten Latinoschlagers » Besame mucho« vor, bei der die Strophen gerappt und der Refrain in klassischer Manier mehrstimmig gesungen werden sollte. Und jetzt bekamen sie es nicht gebacken, einen Text für die Rap-Passagen zu schreiben. Gut, sage ich, habt ihr mal Zettel und Bleistift?
Ich ziehe mich in einen
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