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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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allmählich sehen lassen, meine Raps beim Umkreisen der Lampe konnten sich allmählich hören lassen. Es gab Zeiten, in denen wir drei, vier Tage nur zeichneten, und Zeiten, in denen wir drei, vier Tage nur rappten. Und das Erstaunliche war, dass ich als Lehrer die gleiche Gelassenheit wie Waffel aufbrachte, obwohl ich sonst aufbrausender war. Später bin ich mit ihm an die Wand gegangen, ganz legal. Auch für sich hat Waffel nie illegal gesprüht. Warum sollte er von der Legalität in die Illegalität wechseln– wo ich gerade dabei war, mit der Illegalität ernsthafte Probleme zu bekommen?
    Jedenfalls, unser Deal funktionierte fabelhaft. Nach zwei, drei Monaten kam es mir vor, als hätte ich große Fortschritte gemacht. Von einem eigenen Stil konnte zwar längst noch keine Rede sein, von Grundkenntnissen und einer ordentlichen Stimme aber sehr wohl. Das Schöne war: Wir hatten unendlich viel Zeit. Waffel verdiente mit seinen Auftritten an den Wochenenden gutes Geld, musste daher unter der Woche nicht arbeiten, und ich war sozusagen arbeitslos, also auch mit Zeit gesegnet. Es kam immer häufiger vor, dass er bei mir pennte, und so hatte ich quasi den denkbar besten Rap-Lehrer im Haus. Nach etwa einem Jahr schlug er mir vor, mich nach Potsdam mitzunehmen, um mich seinem Produzenten vorzustellen. » Ich muss da was aufnehmen. Kannst mitkommen.«
    Seine Potsdamer Jungs. Das war wieder eine eigene Szene. Alles Hip-Hopper, die sich in einem besetzten Haus in der Uhlandstraße eingerichtet und außer Hip-Hop höchstens noch Kiffen im Kopf hatten. Und das Studio war eine Rumpelkammer. Ein kleines Zimmerstudio, nur mit dem Nötigsten, also Keybord, Sampler, Computer und einem Mikro, das vom Hochbett runterhing, einem SM 57. Diesem Mikro hatten sie als Popschutz drei Socken übergezogen, die mit Lassoband befestigt waren. Loops (sprich: Schleifen) wurden vom Plattenspieler gesampelt, und dann wurden neue Beats darunter gebaut. Betrieben wurde das Ganze von Leuten wie Jens, der sich als DJ KnickNeck nannte und dem alles andere als Instrumentale zu basteln schnurzegal war. Trinken, essen, Instrumentale, trinken, essen, Instrumentale– auch so ein Besessener. Und ich fand’s großartig, da plötzlich mittendrin zu stecken. Wirklich nichts Dolles, doch mir ging’s mit diesem Studio wie mit Opa Ludwigs Mütze: Sieht nach nix aus, ist aber Leben und Arbeit und Leidenschaft drin.
    Ich fuhr mit Waffel jetzt häufiger nach Potsdam. Eines Tages sitzen wir da, Waffel hat gerade einen Track aufgenommen, da sagt er zu mir: » Schreib du doch auch mal was auf diesen Beat.« Dann lässt er ihn laufen, die Jungs quatschen und kiffen, und ich schreibe einen 16er ** . » Okay, jetzt nimm ihn auf«, sagt er. » Jetzt machen wir unseren ersten Track zusammen.« Ich nehme den Kopfhörer, drehe mich zum Hochbett, wo das Mikrofon hängt, der Beat kommt, und ich rappe. » Wow«, sagt KnickNeck hinterher mit großen Augen, » wer ist der denn?« Und ich, schön cool: » Also, wenn du Instrumentale auf CD hast, dann gib mir mal welche mit. Vielleicht kann ich meine eigenen Tracks machen.«
    ** – Anm.d.Red.
    Mit anderen Worten: Die Jungs waren begeistert, ich war begeistert. Meine eigene Stimme, meine eigene Musik, mein eigenes Zeug– ich bin ausgeflippt. Und hab mit ihnen weitergemacht. Oft war ich neben dem Takt, oft habe ich mich verhaspelt, oft habe ich im Englischen die verrücktesten Ausrutscher produziert, und wir kamen aus dem Lachen nicht mehr raus; KnickNeck hat den Quatsch dann geloopt und immer wieder als Schleife laufen lassen, und wir hatten Spaß ohne Ende.
    Irgendwann machte Waffel den Vorschlag, eine Band zu gründen. » Wollen wir nicht ’ne neue Crew aufmachen?«, fragte er mich und Dave Kju, einen der Potsdamer Jungs. » ’ne Combo mit mir und Razia und Dave?« Ich traute meinen Ohren nicht. Eine Band? Das durfte nicht wahr sein. Das wurde sofort beschlossen. » Und wie wollen wir uns nennen?«, überlegte er. Im Fernsehen lief gerade die amerikanische Serie M.A.S.H. » Also Mash. Oder noch besser: Da Mash.«
    Ein halbes Jahr später hatte Da Mash das erste Album aufgenommen und ich meine ersten Auftritte.
    Wahnsinn.
    Ich mit Waffel auf der Bühne.
    Es fing an mit ganz kleinen Klubs. Jugendklubs. Erst habe ich Waffel nur gedoppelt, dann hatte ich meine eigenen Parts. Und die ganze Zeit habe ich darauf geachtet, was Waffel macht und wie er’s macht, denn Waffel wusste genau, wie man ein Publikum anfüttert. Also nicht bloß

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