So fühlt sich Leben an (German Edition)
Staatstragendes anhören zu müssen, aber nein, ganz im Gegenteil, uns erwartete eine freudige Überraschung.
» Hört mal her«, sagte der Kommandeur. » Ihr wisst, wie der Hase hier läuft. Ihr habt keinen Bock darauf, schön und gut, doch wir müssen den Großteil auf die herkömmliche Art abfertigen, und dabei können wir euch nicht gebrauchen. Nichtsdestotrotz müssen wir mit euch zu einer Einigung kommen. Mein Vorschlag: Wir lassen euch in Ruhe, ihr braucht nicht mehr zu marschieren, aber beschäftigen müssen wir euch, und da hätte ich was. Hinten auf dem Kasernengelände gibt’s einen Kindergarten für die Zeit- und Berufssoldaten. Der ist marode. Vor allem mit dem Keller muss was passieren. Wer von euch bringt Erfahrung auf dem Bau mit?« Alle Arme gingen in die Höhe. » Passt auf«, fuhr er fort. » Wir machen einen Deal. Ihr bringt den Keller vom Kindergarten auf Vordermann, und wenn ihr damit fertig seid, interessiert ihr mich nicht mehr.«
Wir alle zusammen hin und uns den Keller angeschaut. Und einen zweiten Deal gemacht.
» Kommandeur, mit einem Kasten Bier pro Tag würde es noch besser laufen.«
» Einverstanden. Abgemacht.«
Und dann ging’s los. Wir waren hellauf begeistert, wir haben uns richtig ins Zeug gelegt, einfach, weil wir so schnell wie möglich fertig sein wollten. Anderthalb Monate unserer Wehrdienstzeit lagen hinter uns, gut zehn Monate vor uns, da war abzusehen, dass wir unsere Zelte in Kladow lange vorher würden abbrechen können.
Man stelle sich vor: Ein Vollkontakt-Karateweltmeister, ein paar Zuhälter und Türsteher, nur krumme Typen, trotzdem jeder mit Leib und Seele dabei. Der Zustand des Kellers war wirklich schlimm, der Putz rieselte von allen Seiten herunter, aber Trockenbau war nun mal mein Ding, deshalb fiel es zum Beispiel auch in meinen Bereich, die Stellwände zu planen– so und so könnte das aussehen, Jungs, macht das so. Wir hatten ja alle Freiheiten, uns kam keiner in die Quere, wir hatten sogar durchgesetzt, dass wir alle zu Hause übernachten durften. Letztendlich hat der ganze Zug ein solches Engagement entwickelt, dass alles bestens hinhaute. Das waren ja aufrechte Jungs. Alles Kerle, die gewohnt waren, ihr Wort zu halten.
Eines Nachts, als Eileen und ich schon längst im Bett waren, klingelte das Telefon. Am anderen Ende war die Wache in Kladow. » Ey, Stolli«, sagte einer aufgeregt, » es regnet hier wie Sau. Der Keller der Kita steht gleich unter Wasser. Der läuft voll.« Tatsächlich, es goss in Strömen, und unser ganzes Zeug stand im Keller. Habe ich die Jungs angerufen und zusammengetrommelt, den Neumann, den Mewis, den Gronke, und dann sind wir alle morgens um zwei in die Kaserne gefahren und haben uns für den Kindergarten gerade gemacht, sprich das Wasser mit Schippen und Eimern in einem Gewaltakt aus unserem Keller befördert. Vier Stunden später haben wir uns todmüde in die Betten auf unserer Stube fallen lassen und wollten so gegen zwölf gerade erneut unseren Kellerjob antreten, als wir auf dem Flur die Stimme eines Unteroffiziers hörten. » Alles raus! Alles auf dem Appellplatz angetreten!– Ihr auch«, sagte er, als wir aus der Tür guckten.
Wir liefen runter, pflanzten uns zwischen die anderen und machten uns auf alles gefasst. Und der Kommandeur stellt sich vor uns hin und bedankt sich bei uns! Vor versammelter Mannschaft! Lobt uns für unseren Einsatz über den grünen Klee. Und ich muss sagen: Da war ich gerührt. Alle anderen in Uniform, wir unrasiert und in schlabberigem Zivil, und er preist uns als die Retter des Kindergartens, als hätten wir eine militärische Großtat begangen. Hat mir imponiert. War schon ein gewiefter Typ, unser Kommandeur.
Fortan waren wir seine Lieblinge. Jeder Wunsch wurde uns erfüllt, und wir haben uns wieder dem Keller zugewandt.
Nach fünf Monaten waren wir fertig. Die Erzieherinnen haben sich gefreut, die Kinder haben sich gefreut, der Kommandeur hat sich gefreut, und damit waren wir in Ehren entlassen. Ein letzter Händedruck, ein letztes » Jungs, habt ihr klasse gemacht, von jetzt an könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt, und alles Gute für den weiteren Lebensweg«, und jeder von uns zog sich ins Privatleben zurück, ein knappes halbes Jahr vor Ablauf seiner Wehrdienstzeit. Hat die Bundesrepublik Deutschland doch noch was von uns gehabt.
Ich habe mich beim Bund auch für Schwächere eingesetzt. In jedem Zug gibt es ja einen Dummen, einen Idioten, einen, den alle fertigmachen. In
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