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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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Leute arbeiteten teilweise seit zwanzig, fünfundzwanzig Jahren dort, alles lief in den geregelten Bahnen eines Familienunternehmens, der Umgangston war freundlich und entspannt, jeder sah über die Macken des anderen hinweg, weil man sich längst an sie gewöhnt hatte, und Macken, drollige wie idiotische, gab es in diesem Gewerbe zuhauf. Kurzum, mir eröffnete sich eine neue Welt. Die Welt der absoluten Profis, zu einer Zeit, als ich noch nicht einmal davon zu träumen wagte, Musik zu meinem Beruf zu machen. Im Hansa liefen nur große Nummern rum, und Sven Meisel machte mir klar: Wenn du bei mir arbeitest, gehörst du auch zu den großen Nummern.
    Und was machte ich?
    Ich machte ungerührt im Kleinganovengewerbe weiter.
    Gehen wir die Liste meiner bisherigen Aktivitäten mal durch. Mit der Weißenseer Schrauber-Connection stand ich zwar noch in freundschaftlichem Kontakt, ließ mich aber nicht mehr häufig in ihrer Scheune sehen. Die Gebrauchtwagenhändler waren inzwischen vor uns sicher. Auch die Filialleiterinnen von Küchenfachmärkten hatten nichts mehr von uns zu befürchten. Eigentlich eine gute Gelegenheit auszusteigen. Aber wir waren nun mal die Drecksköter vom Kottbusser Tor. Wir hatten den Kapitalismus durchschaut, an die Leine gelegt und abgerichtet, jetzt wollten wir ihn wieder laufen lassen, wollten ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, und so stieg ich mit einem Kumpel in den Börsenoptionshandel ein.
    Um ordentlich Eindruck zu schinden, hatten wir Büroräume in der Kurfürstenstraße angemietet, und dann haben wir die Telefonbücher seitenweise runtertelefoniert und die Leute belabert, ihr Geld in erfundene Börsenrisikogeschäfte zu stecken, in Kaffee, Zucker oder Getreide zu investieren; alles war erstunken und erlogen. Ich hatte eine konsequente Art, unseren Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen, und entwickelte mich zum Topseller. Eben noch Praktikant im Hansa, verwandelte ich mich in den dicksten Maxe von Marzahn, sobald ich auf den Potsdamer Platz trat, in meinen Bertone einstieg und zur Kurfürstenstraße fuhr. Und dann kam alles auf einmal.
    Die Festnahme.
    Die Untersuchungshaft.
    Und die Trennung von Eileen.

15 | Bernauer Gardinen
    Eigentlich fühlte sich das Leben für den neuen Egon Olsen in seinem Fiat Bertone zu Beginn des Jahres1997 gar nicht schlecht an. Ab und zu ging er seiner kleinen Leidenschaft als Rapper, ab und zu seiner großen Leidenschaft als ausgebuffter, mit wirklich sämtlichen Wassern gewaschener Gauner nach, und in seiner Freizeit hing er in Klubs oder auf Jams oder mit Freunden rum und ließ die Sau raus. Ich war rundum mit mir zufrieden. Die Bundeswehr hatte ich ausgetrickst, die Geschäfte standen in schönster Blüte, und dass es Ärger mit Eileen gab, na ja… Daran hatte ich mich gewöhnt.
    Ich war selbst schuld. Eileen hatte 1995 Abitur gemacht– nach der Wende war das auch bei uns im Osten möglich–, wollte studieren, fand aber keinen Studienplatz und fing an, in einem Fitnessstudio zu arbeiten. Den Job hatte ich ihr zwar vermittelt, doch im selben Moment gewusst, dass es nicht gut gehen konnte. Da liefen extrem strahlende Typen rum, und früher oder später würde einer von denen sie abwerben, denn Eileen stand hinterm Tresen und damit auf dem Präsentierteller. Offen gesagt wollte ich sie mit dem Job beschäftigen, um Zeit für meine eigenen Geschäftchen zu gewinnen.
    Es ging prompt los. Ich bekam mit, dass Eileen mit einem dieser Typen angebändelt hatte. » Lass dich von denen nicht blenden«, habe ich gesagt, ich kannte diese Fitnessprinzen ja, das waren Luschen, Luftpumpen, wie wir gesagt haben, bei denen waren Anabolika und andere Sachen im Spiel, und ihr Neuer war der Luftpumpenkönig schlechthin mit seinem getunten und tiefer gelegten Volkswagen Scirocco, ein echter Poser. Da sie aber nicht die Finger von ihm ließ, musste ich mir den Kerl vorknöpfen.
    Eines Abends fuhr er sie nach Hause zu ihren Eltern. Ich stand schon da. Er fuhr vor, ich ging zu ihm ans Fenster und sagte: » Komm raus, du Laschek, zeig mal, was du auf dem Kasten hast.« Wie erwartet blieb er sitzen. Da habe ich angefangen, seinen Scirocco systematisch zu zerlegen, erst die Spiegel abgetreten, dann die Scheibenwischer zerknickt und die Scheinwerfer eingetreten. Bevor ich sein Traumauto vollends in einen Schrotthaufen verwandeln konnte, stieg er aus. Mit dem Ergebnis, dass er praktisch genau an der Stelle zu liegen kam, wo ich mich selbst vor Angst und Schmerzen, drei

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