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So funktioniert die Wirtschaft

So funktioniert die Wirtschaft

Titel: So funktioniert die Wirtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Haering
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Abwärtsspiralen ist es, die Staatsschulden zu einem wichtigen Element der Wirtschaftspolitik macht. „Wirtschaft ist zur Hälfte Psychologie“, heißt es völlig zu Recht. Wenn in einem auf Schulden beruhenden Geldwesen plötzlich viele das Vertrauen verlieren und ihre Schulden abbauen wollen, dann sind die Auswirkungen fatal. Sparen alle gleichzeitig, so entsteht ein negativer Effekt: Die Menschen schränken sich zwar ein, haben aber nichts davon – im Gegenteil, sie werden immer ärmer. Die folgende Abbildung stellt die Effekte schematisch dar. Der Staat ist der einzige Akteur, dessen Taschen tief genug sind, um sich diesem Verliererspiel verweigern zukönnen. Wenn alle anderen sparen, kann er Schulden aufnehmen, die niemand mehr haben will, und so dafür sorgen, dass die Wirtschaft nicht in eine Abwärtsspirale gerät.
    Wenn alle gleichzeitig sparen, scheitert der Schuldenabbau
    Grenzen der Verschuldung
    Problematisch wird die Staatsschuld immer dann, wenn sie nachhaltig stärker steigt als die Wirtschaftsleistung. Das geht lange Zeit gut, aber nicht ewig. In diesem Fall ist die Schuldenaufnahme mit der Notwendigkeit verknüpft, die Schuld später wieder zurückzuführen oder zumindest dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr stärker wächst als die Wirtschaft. Das Umschalten von einer Schuldenzunahme, die die Wirtschaft antreibt, auf Schuldenrückführung oder konstante Schulden ist ein schmerzlicher Prozess, wenn einem nicht zufällig gerade ein Wirtschaftsboom zur Hilfe kommt. StaatlichesSparen bremst die Wirtschaft, erhöht die Arbeitslosigkeit, sorgt für sinkende Einnahmen sowie höhere Ausgaben und erschwert damit die Rückführung der Schuldenexpansion noch weiter.
    Das ist allerdings keine Besonderheit von Staatsschulden; es gilt für Schulden allgemein. Wenn die Schuldenaufnahme in der Volkswirtschaft insgesamt stärker zunimmt als die Wirtschaftsleistung, dann steuert die Volkswirtschaft auf den Zustand der Überschuldung zu. Der Prozess der Schuldenansammlung kippt dann um und die Verschuldeten wollen ihre Schulden abbauen. Wie bei Haushalten und Unternehmen gilt auch für den Staat, dass nicht die Schulden an sich eine Belastung für zukünftige Generationen darstellen, sondern Schulden, die nachhaltig stärker steigen als die Wirtschaftsleistung.
    Die Zielwerte des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der für die Staatsschulden eine Obergrenze von 60 % des Bruttoinlandsprodukts und für das jährliche Defizit einen Maximalwert von 3 % festlegt, beruhen auf dieser Sichtweise, wenn auch in einer auf den Staat verengten Variante. Unter bestimmten Annahmen über das Wirtschaftswachstum und die Inflationsrate bleibt die Staatsschuld im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung stabil, solange diese Quoten nicht überschritten werden.
    Wichtig
    Die einfache Formel für die Defizitquote, bei der die Schuldenquote stabil bleibt, heißt:
    Schuldenquote × nominales Wirtschaftswachstum / 100
    oder gleichbedeutend:
Schuldenquote × (reales Wachstum + Inflationsrate) / 100
    Beispiel
    Wenn das Bruttoinlandsprodukt 100 beträgt und der Schuldenstand 60, das BIP preisbereinigt um 3 % wächst und die Inflationsrate 2 % beträgt, dann steigt die Wirtschaftsleistung in einem Jahr auf 105. 60 % davon sind 63. Der Staat kann also 3 % des BIP an neuen Schulden aufnehmen, damit die Staatsschuldenquote bei 60 % bleibt. Der Wert von 3 % lässt sich wie folgt errechnen: 60 × (2 + 3) / 100.
    Drei Prozent Wirtschaftswachstum sind ein ambitioniertes Ziel – meistens fällt der Wert niedriger aus. Andererseits ist zu beachten, dass die im Stabilitätspakt festgelegte Defizitquote von 3 % kein Richtwert ist, sondern eine Obergrenze, bei deren Überschreitung Strafen drohen. Zielwert laut Pakt ist ein Defizit von nahe null, was bedeuten würde, dass die Staatsschuldenquote immer weiter abnimmt. Der Pakt beruht also auf der falschen Annahme, dass Staatsschulden etwas Schlechtes seien und immer weiter abgebaut werden sollten, am besten bis auf null. Besonders stark wirkt der vom Pakt ausgehende Sparzwang auf Länder, die zunächst eine höhere Schuldenquote aufweisen. Ihnen mutet der Pakt eine besonders schnelle Rückführung der Schuldenquote zu. Das belastet die Wirtschaft und die Bürger beträchtlich, da sie über längere Zeit hinweg deutlich weniger vom Staat bekommen,

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