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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Dort lebten noch Freunde von ihr. Freunde, die nicht einmal wussten, dass sie hier war. Freunde, die sie gern wiedergesehen hätte. Sie sehnte sich mehr denn je nach ihrer Gesellschaft, wollte jemandem ihr Herz ausschütten, der nicht in diese Geschichte verwickelt war. Jemandem, der klar denken und ihr sagen konnte, ob sie verrückt war oder nicht. Doch dafür war es wohl zu spät.
    Freunde waren der einzige Teil ihres Lebens, den sie nicht als Spiel betrachtete, und dennoch musste man sie bisweilen zurücklassen, so schwer es auch sein mochte.
    Tränen traten ihr in die Augen. Sie hatte ein komisches Gefühl im Magen. Bis auf den Vollkornkeks bei Hugo Hegarty und eine Cola auf dem Bahnsteig im Flughafen Gatwick hatte sie den ganzen Tag nichts zu sich genommen. Sie war zu angespannt, um zu essen.
    Ruf doch bitte an.
    Sie fuhren gerade durch Hassocks, dann folgte der Clayton Tunnel. Sie lauschte auf das Donnern des Zuges, das sich an den Wänden brach. Sah ihr eigenes verängstigtes Gesicht im Fenster.
    Als sie wieder ans Tageslicht kamen – rechts der grüne Hang von Mill Hill, links die Straße nach London – stellte sie beunruhigt fest, dass sie einen Anruf verpasst hatte.
    Scheiße.
    Keine Nummer.
    Es klingelte wieder. Ricky.
    »Ich mache mir allmählich Sorgen um deine Mutter, Abby. Keine Ahnung, ob sie das noch lange durchhält.«
    »Bitte lass mich mit ihr reden, Ricky!«
    Kurzes Schweigen. Dann sagte er: »Ich glaube, ihr ist nicht nach Reden zumute.«
    Eine neue, noch dunklere Angst überkam sie. »Wo bist du? Ich komme zu dir. Wir treffen uns, egal wo. Ich gebe dir alles, was du willst.«
    »Ja, das weiß ich. Wir treffen uns morgen.«
    »Morgen?«, brüllte sie. »Das ist unmöglich! Lass es uns jetzt machen, bitte. Ich muss sie ins Krankenhaus bringen.«
    »Wir machen es dann, wenn es mir passt. Du hast mir genügend Scherereien bereitet. Jetzt wirst du merken, wie sich das anfühlt.«
    »Das hier ist keine Schererei, Ricky. Bitte, um Gottes willen, sie ist alt und krank. Sie hat niemandem etwas Böses getan. Auch dir nicht. Lass es an mir aus, aber nicht an ihr.«
    Der Zug erreichte Preston Park, wo sie aussteigen wollte.
    »Leider habe ich aber sie in meiner Gewalt und nicht dich.«
    »Ich tausche mit ihr.«
    »Sehr witzig.«
    »Bitte, Ricky, triff dich mit mir.«
    »Morgen.«
    »Nein! Jetzt! Bitte, lass es uns jetzt machen. Vielleicht überlebt sie das nicht bis morgen.« Sie wurde allmählich hysterisch.
    »Das wäre aber schade, was? Mit dem Wissen zu sterben, dass ihre Tochter eine Diebin ist.«
    »Gott im Himmel, du bist wirklich ein eiskaltes Schwein.«
    Ricky ging nicht darauf ein. »Du brauchst ein Auto. Ich habe den Schlüssel für den gemieteten Ford zu dir nach Hause geschickt. Morgen früh ist er da.«
    »Da ist aber eine Kralle dran.«
    »Dann musst du einen mieten.«
    »Wo treffen wir uns?«
    »Ich rufe dich morgen früh an. Besorge dir heute noch einen Wagen. Du bringst die Briefmarken mit, verstanden?«
    »Bitte, können wir uns nicht heute Nachmittag treffen?«
    Er legte auf. Der Zug kam mit einem Ruck zum Stehen.
    Abby erhob sich von ihrem Sitz und bewegte sich mit unsicheren Schritten zum Ausgang, wobei sie Handtasche und Plastiktüte mit einer Hand umklammerte und sich mit der anderen an den Haltestangen abstützte. Es war Viertel nach vier.
    Ich muss das durchstehen. Ich muss. Irgendwie.
    Aber wie um Himmels willen?
    Als sie den Bahnhof verließ und zum Taxistand ging, war ihr, als müsste sie sich jeden Augenblick erbrechen. Zu ihrer Bestürzung stand kein einziges Taxi da. Sie sah auf die Uhr und rief dann ein örtliches Taxiunternehmen an. Danach wählte sie eine Nummer, die sie zuvor schon angerufen hatte und bei der sich dieselbe Männerstimme wie vorhin meldete: »South-East Philatelie.«
    Er war der einzige Briefmarkenhändler in der Stadt, dessen Namen Hugo Hegarty ihr nicht genannt hatte.
    »Hier spricht Sarah Smith. Ich bin unterwegs zu Ihnen, warte nur gerade auf ein Taxi. Wie lange haben Sie geöffnet?«
    »Bis halb sechs«, erwiderte der Mann.
    Fünfzehn angstvolle Minuten später tauchte das Taxi endlich auf.
    108
    OKTOBER 2007 Der Vernehmungsbereich in Sussex House bestand aus zwei Räumen, von denen einer nur zu Beobachtungszwecken genutzt wurde und gerade genug Platz für zwei Personen bot.
    In dem größeren Raum, der mit drei roten Sesseln und einem schlichten Couchtisch ausgestattet war, saßen Glenn Branson und Bella Moy mit einer sehr verstört wirkenden

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