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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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schwankte.
    Schlug und schlug und schlug.
    Sie musste dringend pieseln. Ein Stiefel war schon voll. Der Uringestank wurde stärker. Ihr Mund war wie ausgedörrt. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder und hielt sich erneut die Uhr vor die Nase. Noch immer nichts zu erkennen.
    In einer plötzlich aufkeimenden Panik überlegte sie, ob sie blind geworden war.
    Verdammt, wie spät mochte es wohl sein? Als sie das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte, war es acht Minuten nach drei gewesen. Danach war das Licht ausgegangen. Irgendwann hatte sie in den Stiefel gepinkelt und in der Dunkelheit so gut wie möglich gezielt.
    Danach war es ihr besser gegangen, und sie hatte wieder klar denken können. Nun aber lenkte die volle Blase sie erneut ab. Sie versuchte, dem Drang zu widerstehen. Vor einigen Jahren hatte sie einen Dokumentarfilm im Fernsehen gesehen, in dem es um die Überlebenden einer Flugzeugkatastrophe ging. Eine junge Frau in ihrem Alter hatte erklärt, sie habe ihrer Ansicht nach nur deshalb überlebt, weil sie ruhig geblieben war, während die meisten in Panik gerieten. Sie habe logisch gedacht und inmitten von Rauch und Dunkelheit den Ausgang gefunden.
    Auch die anderen Überlebenden berichteten von einem ähnlichen Verhalten. Ruhig bleiben, klar denken. Das war der einzige Weg.
    Leichter gesagt als getan.
    Flugzeuge besaßen immerhin Ausgänge. Und Stewardessen, die vor jedem Flug mit reglosem Gesicht auf die Ausgänge deuteten, orangefarbene Rettungswesten und Sauerstoffmasken in die Höhe hielten und erklärten, als hätten sie es mit einem Haufen Zurückgebliebener zu tun. England war so ein verdammter Überwachungsstaat geworden. Warum gab es in Aufzügen noch keine Stewardessen? Warum stand nicht in jedem eine dämliche Blondine, die einem eine laminierte Karte reichte, auf der die Türen eingezeichnet waren? Und eine orangefarbene Rettungsweste, falls der Aufzug einmal überflutet werden sollte? Warum hielt sie einem nicht eine Sauerstoffmaske vor die Nase?
    Plötzlich erklang ein scharfes Piepsen.
    Ihr Handy!
    Sie wühlte in ihrer Handtasche. Das Display war erleuchtet. Ihr Handy funktionierte wieder! Es hatte Empfang! Und natürlich gab es auch eine Uhr – die hatte sie in ihrer Panik völlig vergessen! Sie holte es aus der Tasche und schaute aufs Display.
     
    Neue Nachricht.
     
    Sie konnte ihre Aufregung kaum zügeln und klappte es auf.
    Die Nummer des Anrufers wurde nicht angezeigt. Die Nachricht lautete:
     
    Ich weiß, wo du bist.
     
    17
    OKTOBER 2007 Roy Grace zitterte. Obwohl er unter seinem Papieranzug dicke Jeans, einen warmen Strickpullover und gefütterte Stiefel trug, drang ihm die Feuchtigkeit in die Knochen.
    Die Spurenermittler und Suchspezialisten, die die unerfreuliche Aufgabe hatten, auf Händen und Knien jeden Zentimeter des Kanals abzusuchen, hatten bislang nur einige Nagetierskelette gefunden, aber nichts Interessantes. Entweder hatte man die Kleider der toten Frau entfernt, bevor sie im Kanal abgelegt wurde, oder sie waren weggespült, verrottet oder von Tieren zum Nestbau verwendet worden. Joan Major und Frazer Theobald arbeiteten unendlich langsam, kratzten mit Maurerkellen den Schlick um die Beckenknochen weg und verpackten jede Schmutzschicht in separaten Zellophanbeuteln. Wenn sie in diesem Tempo weitermachten, würde die Bergung noch zwei bis drei Stunden dauern.
    Grace musste die ganze Zeit an den grinsenden Schädel denken.
    Das Gefühl, dass Sandys Geist in seiner Nähe war. Bist das wirklich du?, fragte er sich. Jedes Medium, das er in den vergangenen neun Jahren konsultiert hatte, hatte ihm gesagt, seine Frau befinde sich nicht in der Geisterwelt. Folglich war sie noch am Leben, vorausgesetzt, er glaubte ihnen. Doch niemand hatte ihm bis jetzt sagen können, wo sie sich aufhielt.
    Ein Schauer überlief ihn. Diesmal lag es nicht an der Kälte, etwas anderes steckte dahinter. Vor einiger Zeit hatte er sich entschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen und nach vorn zu blicken. Doch wann immer er es versuchte, geschah etwas, das neue Zweifel in ihm weckte. So wie jetzt.
    Sein Funkgerät knisterte und riss ihn aus seinen Gedanken. Er meldete sich mit einem knappen »Roy Grace«.
    »Morgen, Roy. Ihre Karriere ist ganz schön im Eimer, im Abfluss, meine ich.« Dann hörte er Norman Pottings kehliges Lachen.
    »Sehr witzig, Norman. Wo sind Sie?«
    »Beim Wachposten. Soll ich mich in Schale werfen und runterkommen?«
    »Nein, ich komme zu Ihnen. Wir treffen uns im Wagen der

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