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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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erneut umgerannt.
    »Verdammte Scheiße!«
    Ein Pfennigabsatz huschte wie ein spitzer Schatten über seinen Kopf.
    Dann herrschte Stille.
    Das Grummeln hörte auf. Der Donner hörte auf. Der Boden bebte nicht mehr. Auch die Sirenen waren verstummt.
    Einen Augenblick lang überkam ihn neue Hoffnung. Ihm ging es gut! Er war am Leben!
    Die Menschen gingen jetzt langsamer und geordneter. Manche hinkten. Einige hielten sich aneinander fest. Andere hatten Glassplitter im Haar, die wie Eiskristalle schimmerten. Blut war die einzige Farbe in einer schwarz-grauen Welt.
    »Das ist doch nicht wahr«, sagte eine Männerstimme in seiner Nähe. »Das kann einfach nicht wahr sein.«
    Ronnie konnte den Nordturm und rechts davon einen Berg aus verbogenen Trümmern erkennen. Bauschutt, Fensterrahmen, zerstörte Autos, brennende Fahrzeuge und verstümmelte Körper, die reglos auf dem schmutzigen Boden lagen. Er schaute in den Himmel, wo der Südturm stand.
    Gestanden hatte.
    Der ganze Turm war verschwunden.
    Vor wenigen Minuten war er noch da gewesen, und jetzt sah man ins Leere. Ronnie blinzelte, um sicher zu gehen, dass es keine optische Täuschung war. Wieder drang ihm Staub in die Augen und ließ sie tränen.
    Er zitterte am ganzen Leib. Vor allem aber zitterte er innerlich.
    Etwas erregte seine Aufmerksamkeit. Es schwebte herunter, wurde von einem Luftzug erfasst und nach oben geweht, bevor es seinen Flug in die Tiefe fortsetzte. Ein Stück Stoff. Es sah aus wie die Filzlappen, mit denen man den Bildschirm eines Laptops schützte.
    Es segelte wie ein toter Schmetterling zu Boden und landete nur wenige Meter von ihm entfernt. Einen Augenblick lang fragte er sich, ob er den Lappen mitnehmen sollte, da er seinen vor längerer Zeit verloren hatte.
    Weitere Menschen zogen an ihm vorbei. Eine endlose Schlange, schwarz, weiß und grau, wie in einem alten Kriegsfilm oder einer Dokumentation über Flüchtlinge. Irgendwo klingelte ein Telefon. War es seins? Panisch durchsuchte er seine Taschen. Das Handy war noch da, Gott sei Dank! Er holte es heraus, doch es klingelte nicht, er hatte auch keinen Anruf verpasst. Er versuchte es noch einmal bei Lorraine, hatte aber keinen Empfang und hörte nur einen Piepton, der kurz darauf im Lärm eines Hubschraubers unterging.
    Er wusste nicht, was er machen sollte. War völlig durcheinander. Viele Leute waren verletzt, und ihm ging es gut. Vielleicht sollte er ihnen helfen. Womöglich würde er hier irgendwo auch Donald finden. Das Gebäude war doch evakuiert worden. Sicher waren alle hinausgekommen, bevor es einstürzte. Möglicherweise lief Donald umher und suchte nach ihm. Wenn sie einander Finden könnten, würden sie in ein Café oder Hotel gehen und ihre Besprechung doch noch abhalten …
    Ein Löschzug raste an ihm vorbei, hätte ihn fast überfahren, und verschwand in einem Tumult aus roten blitzenden Lichtern, Sirenen und Huptönen.
    »Idioten! Ihr Schweine, fast hättet ihr mich –«
    Eine Gruppe schwarzer Frauen, die grau verschmiert waren, kam auf ihn zu. Eine trug einen Beutel, eine andere rieb sich den Hinterkopf unter den Dreadlocks.
    »Verzeihung«, sagte Ronnie und vertrat ihnen den Weg.
    »Einfach weitergehen«, sagte eine von ihnen.
    »Genau«, sagte eine andere. »Aber nicht da lang!«
    Weitere Einsatzfahrzeuge fuhren an ihnen vorbei. Der Boden knirschte unter den Füßen. Alles war von Papierschnee bedeckt. Von wegen papierlose Gesellschaft, dachte er zynisch. Die ganze Straße war mit grauem Papier bedeckt. Der Himmel war dunkel von herabfallenden Blättern, blanko, beschrieben, Fetzen aus Aktenvernichtern, in allen Formen, Farben und Größen. Als hätte man unzählige Aktenschränke und Papierkörbe aus einer Wolke gekippt.
    Er blieb einen Augenblick stehen und versuchte, klar zu denken.
    Doch ihm ging nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: Warum heute? Warum gerade heute?
    Warum musste diese Scheiße gerade heute passieren? New York war von Terroristen angegriffen worden, soviel war ihm klar. Eine leise Stimme in seinem Kopf mahnte ihn, er müsse eigentlich Angst empfinden, doch die hatte er nicht, er war einfach nur verdammt wütend.
    Ronnie marschierte weiter, vorbei an verstörten Menschen, die aus unterschiedlichen Richtungen auf ihn zuströmten. Als er die Plaza erreichte, hielten ihn zwei Polizisten an. Einer war klein mit kurzem blondem Haar. Er hatte die rechte Hand am Lauf seiner Pistole und drückte mit der Linken ein Funkgerät ans Ohr. Er brüllte eine Meldung

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